Geschäftsidee:Dieses Paar macht aus Schrott Fahrräder

Heidi und Horand Thönges glauben fest an ihre Geschäftsidee: Sie bauen aus alten Rädern individuelle Modelle, die sie dann verkaufen. Jetzt suchen sie einen Laden. Bürger sollen sich an der Finanzierung beteiligen.

Von Nicole Graner, Schwanthalerhöhe

Es gibt Visionen, die man lange verfolgt, aber auch wieder aufgibt. Weil sie nicht verwirklicht werden konnten, weil sie vielleicht zu abwegig waren. Aber es gibt auch welche, die einen so sehr begleiten, dass man sein Leben danach ausrichtet. Mit vollem Einsatz und aus ganzem Herzen. Heidi, 36, und Horand Thönges, 37, gehören ganz bestimmt zur zweiten Gruppe.

Der gemeinsame Traum, ihre Leidenschaften, Hobbys und Überzeugungen zu einem großen Ganzen zu verschmelzen, ist Teil ihres Lebens geworden. Dafür haben sie Festanstellungen aufgegeben, um Zeit zu haben für das eine Projekt, das ihnen am Herzen liegt und auch den Anspruch, alles haben zu müssen.

Viele Menschen spenden den beiden alte Fahrräder

Schon seit einiger Zeit betreiben beide im Westend die "Radlretterei". Aus gespendeten Rädern oder Fahrradschrott machen sie neue, sehr individuelle Gefährte. Wünsche des zukünftigen Besitzers natürlich inbegriffen. Fertige Räder werden weiterverkauft. Heidi und Horand Thönges geht es dabei um Nachhaltigkeit, um das Wiederverwerten. Schrauben, Klingeln, Gepäckträger, Lenker - alles, was von anderen heruntergekommenen Rädern noch funktionstüchtig ist, wird neu eingebaut.

"Und jeder", sagt Horand Thönges, "bekommt von uns ein Fahrrad, das ganz auf ihn zugeschnitten ist." Manche, so erzählt er, hätten nach langem Suchen endlich das Fahrrad gefunden, das sie schon immer gewollt hätten. Eine Reparaturwerkstatt sind sie nicht - eher verstehen sie sich als eine handwerkliche Ideenschmiede.

Sie wünschen sich einen eigenen Laden im Westend

Viele Menschen spenden den beiden ihre alten Fahrräder. "Sogar die Hausverwaltung hat schon gefragt, ob wir herrenlose, alte Räder haben wollen", sagt Heide Thönges. Natürlich wollen sie. Und manchmal ist der 37-jährige "Herzensbastler", wie er sich selbst nennt, auch mit einem Lastenrad unterwegs und transportiert die gerettete Ware von A nach B. Einen eigenen Laden haben beide nicht. Momentan, so erzählen sie, haben sie an die 35 Räder überall gelagert - sogar im Wohnzimmer, das so Heidi, im Moment eher einer Werkstatt gleiche. Sie arbeiten in Hinterhöfen, auf Plätzen, in Parkanlagen. Und hier beginnt die Vision von Heidi und Horand ...

Radlretterei Heidi und Horand Thönges

Mit einem Lastenrad werden gespendete Räder transportiert.

(Foto: Privat)

Sie wünschen sich einen eigenen Laden im Westend. 80 Quadratmeter groß, besser 120. Einen für die Räder, mit Platz zum Werkeln, mit Gastrobereich für kleine, aber feine vegetarische, vegane Saisongerichte mit biologischen Zutaten und einen, der vor allem eines sein soll: Begegnungsstätte. Ein Austausch über Müllvermeidung und Upcycling soll stattfinden, auch Workshops zu diesen Themen. "Es geht darum, miteinander ins Gespräch zu kommen", sagt Heidi Thönges. "Das Ganze soll kein Trödelladen sein, sondern ein Treffpunkt vieler Menschen, die Neues wagen wollen, die Spaß an Veränderung in ihrem Leben haben." Ein Netzwerk, das könnte entstehen, wenn alles klappt.

Upcycling? Müllfrei leben? Dazu muss man zurück zum Anfang der Geschichte von Heidi und Horand Thönges. Seit zwei Jahren sind sie verheiratet, sie haben eine kleine Tochter. Er ist gelernter Pfleger, hat viel in diesem Beruf gearbeitet. Er war Metallbauer und Friseur. Ach ja, das Skateboard. Das ist der Radlretter auch noch professionell gefahren, hatte sogar eine eigene Firma. Und muss noch heute sofort auf ein Brett steigen, wenn er eines sieht. "Es gab so viel zu entdecken auf dieser Welt. Das war mein Problem, irgendwie konnte ich mich nie für eines entscheiden", sagt der 37-Jährige, lacht und senkt dabei seinen Kopf nach unten. So als ob er selbst nicht so recht glauben kann, was er schon alles gemacht hat. Auslöser, dass er sich heute ausschließlich vegan ernährt, ist eine Hausarbeit, die er zu seiner Pfleger-Ausbildung über Ernährung schreiben musste. "Was in unserm Essen alles drin ist - puh", sagt Thönges, "das hat mein Ernährungsbewusstsein einfach verändert."

Radlretterei Heidi und Horand Thönges

Aus Altem etwas Besonderes machen: Dieser Idee fühlen sich Heidi und Horand Thönges verpflichtet.

(Foto: Privat)

Horand Thönges ist eher introvertiert, sie dagegen zeigt ihre Lebensfreude. Sie lacht gerne und ihre Augen haben einen Glanz, der den Spaß an den großen und den kleinen Dingen deutlich macht. Die 36-Jährige, die aus einem Öko-Haushalt stammt, wollte eigentlich in die Entwicklungsarbeit, studierte in Bayreuth "Kultur und Gesellschaft Afrikas". Sie lernte Sprachen, reiste viel, dann kochte sie in einem vegetarischen Restaurant, war Management-Assistentin in einem kleinen Berghotel in der Schweiz. Ja, und irgendwann entdeckte sie für sich, dass man wenig Müll produzieren kann, wenn man es will. "Es beginnt damit", sagt sie, "dass man einfach keine Dinge mehr kauft, die in Plastik verpackt sind." Heute kaufen beide nur noch Mehrwegflaschen. Sie machen ihren Wein oder ihren Saft, sogar ihr Deo selbst, bestellen plastikfreies, also nicht zusammengeklebtes Klopapier. Und sie entdeckten das Upcycling für sich, also die Möglichkeit, aus Altem etwas vollkommen Neues zu machen. "Zweckentfremden", sagt Heidi Thönges. Aus einer Lampe wird eine Vase, aus einem Fahrrad-Lenker eine Garderobe.

Ihr Laden. Dafür haben die Thönges eine sogenannte Crowdfunding-Kampagne gestartet, die bis 22. Oktober läuft. Möglichst viele Bürger sollen sich an der Finanzierung beteiligen. Denn erst wenn diese steht, kann ein Laden gemietet werden. "Gibt es den Laden", sagt Heidi Thönges, "steigt die Bank mit ein." Noch sind sie weit von ihrem Ziel entfernt, aber locker lassen? Kommt nicht in Frage. "Wir glauben daran", sagen beide. Alles ist bereit. Der Business-Plan steht und sogar das erste Mittagessen im kleinen Restaurant.

Für ihren Traum stehen auch zwei besondere Tattoos, die beide haben: ein "Knitter-Pan" und die "Knitter-Fee", wie sie ihre kleinen Traumfiguren nennen. "Wir sind nicht glattgebügelt, sondern eben knittrig", sagt Heidi Thönges. Was sie meint: Sie sind unkonventionell, neugierig auf Neues. Dass sie ihren Traum unaufhörlich vorantreiben, auch das haben sie mit Peter Pan gemein: Er behält seine Fähigkeit, zu träumen. Für immer.

Die Radlretterei: www.radlretterei.com. Crowdfunding-Projekt bis zum 22. Oktober.

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