Krankenversorgung:Münchner Kliniken sperren Status-Webseite

Rettungsdienst

Hat ein Krankenhaus keine Betten mehr frei, meldet es sich vom Leitsystem Ivena ab. Das heißt aber nicht, dass es Notfälle nicht doch noch aufnimmt.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)
  • Auf der Internetseite der Münchner Rettungsleitstelle konnte bisher jeder sehen, welche Klinikabteilungen sich als überfüllt abmeldeten.
  • Vor allem die Geburts- und Kinderkliniken sowie die Notaufnahmen zeigten sich häufig voll. Die städtischen Kliniken und die Uni-Kliniken haben einen Versorgungsauftrag, sie müssten eigentlich alle Patienten aufnehmen
  • Seit vergangener Woche ist die Seite nur noch mit einem Passwort zugänglich.

Von Inga Rahmsdorf

Auf der Internetseite Ivena der Münchner Rettungsleitstelle konnte bisher jeder öffentlich verfolgen, welche Klinikabteilungen sich in München wann und für welchen Zeitraum abmelden. Besonders bei den Geburts- und Kinderkliniken sowie bei den Notaufnahmen kommt es häufig vor, dass viele oder sogar alle Krankenhäuser in der Stadt gleichzeitig auf Rot schalten und damit signalisieren, keine freien Kapazitäten mehr zu haben.

Seit Ende vergangener Woche ist die Internetseite dieses Ivena-Versorgungnachweises jedoch nur noch mit einem Passwort zugänglich. Just nachdem der Bayerische Rundfunk (BR) eine Datenanalyse veröffentlich hatte, für die die Journalisten auf die Ivena-Plattform zugegriffen hatte.

Ein Daten-Team des BR hatte zweieinhalb Jahre lang alle zehn Minuten auf der Ivena-Internetseite registriert, ob sich die zwölf Münchner Geburtskliniken abgemeldet hatten. Das Ergebnis ihrer Recherche hat erneut verdeutlicht, was Ärzte, Krankenpfleger und Hebammen seit Langem kritisieren: dass die medizinischen Versorgungsengpässe in einigen Bereichen besorgniserregend sind. Laut der BR-Analyse hatten sich nachts zwischen 3 und 7 Uhr im Durchschnitt 34 Prozent der Geburtskliniken in München für eine reguläre Geburt abgemeldet. Das kann bedeuteten, dass schwangere Frauen, die eigentlich in einer der abgemeldeten Klinik entbinden wollten, dann an andere Geburtsabteilungen weitervermittelt werden - in Wehen.

Die Kliniken melden sich meist ab, weil ihnen Hebammen und Pfleger fehlen. In der Haunerschen Kinderklinik etwa steht eine ganze Abteilung leer, da es nicht genügend Krankenpfleger gibt, um die Kinder zu betreuen. Und auch die anderen Kinderkliniken, Geburtsabteilungen und Notaufnahmen stoßen ständig an ihre Kapazitätsgrenzen. Das führt dazu, dass es immer wieder vorkommt, dass Patienten aus München - trotz eigentlich exzellenter medizinischer Versorgung - in andere Landkreise im Umland verlegt werden müssen.

Konnte bis vergangene Woche jeder die aktuelle Situation in den Kliniken auf der Ivena-Plattform live mitverfolgen, haben nun nur noch der Rettungszweckverband, die Kliniken und die Integrierte Leitstelle Zugang dazu. Zuständig für die Plattform ist in München der Rettungszweckverband. Dieser habe sich zu dem Schritt entschieden, weil die bisher öffentliche Internetseite Ivena nur einen sehr reduzierten Inhalt wiedergegeben habe, sagt Johannes Mayer, Sprecher des zuständigen Kreisverwaltungsreferats (KVR). Dies habe ein "verzerrtes Bild der tatsächlichen, im Hinblick auf Rettungsdienstpatienten vorliegenden Situation" wiedergegeben. "Um falschen Rückschlüssen und Fehlinterpretationen dieser abgespeckten Informationen vorzubeugen", sei die Seite entfernt worden.

Die Kliniken haben einen Versorgungsauftrag

Mit verzerrtem Bild könnte gemeint sein, dass sich manche Kliniken schneller abmelden und andere länger warten. Auch bedeutet das nicht gleich, dass grundsätzlich keine Patienten mehr aufgenommen werden. Und schließlich ist Ivena nur eine Plattform, die den Rettungsdiensten signalisiert: Fahrt besser in eine andere Klinik, in der der Patient besser versorgt werden kann, weil es dort mehr freie Kapazitäten gibt.

Hinzu kommt, dass die städtischen Kliniken und die Uni-Kliniken einen Versorgungsauftrag haben, sie müssten eigentlich alle Patienten aufnehmen. Das heißt: Wenn Ärzte und Krankenpfleger sich bei Ivena abmelden, haben sie trotzdem möglicherweise noch ein Notbett frei und könnten auch im Notfall weitere Patienten versorgen. Doch im Klinikalltag bedeutet das auch, dass Ärzte und Pfleger noch häufiger an die Grenze ihrer Belastbarkeit geraten und das Unmögliche möglich machen müssen.

Insofern sagen die Abmeldungen bei Ivena sehr wohl etwas aus über die medizinische Versorgungssituation. Ob jeder ständig frei darauf Zugriff haben sollte, ist eine andere Frage. Einige Hebammen und niedergelassene Ärzte kritisieren nun allerdings, dass auch sie keinen Zugriff mehr haben, um zu sehen, welche Kliniken ausgelastet sind. Man sei dabei, für Ärzte und Hebammen ein mehrstufiges Login-System zu erörtern, sagt der KVR-Sprecher.

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