Krankenhaus-Sanierung:Machtkampf im Stadtklinikum

Krankenhaus-Sanierung: Sanierungsbedürftig: das Schwabinger Krankenhaus.

Sanierungsbedürftig: das Schwabinger Krankenhaus.

(Foto: Catherina Hess)

Die dringend benötigte Sanierung des städtischen Klinikums ist ernsthaft gefährdet. Etliche Aufsichtsräte zweifeln an Geschäftsführerin Elisabeth Harrison, andere wollen sie weiterhin halten. Eine undurchsichtige Rolle spielt nun ein Berliner Beratungsbüro.

Dominik Hutter

Die Sanierung des städtischen Klinikums ist durch interne Streitereien offenbar in ernste Gefahr geraten. Teile des Aufsichtsrats werfen ihren Gremiumskollegen vor, wichtige Entscheidungen über Monate hinaus zu blockieren - möglicherweise sogar bewusst, um der Geschäftsführung um Klinik-Chefin Elizabeth Harrison zu schaden. Die Gegenseite beschuldigt Harrison, den Aufsichtsrat nicht ausreichend mit Informationen zu versorgen und durch zögerliches Vorgehen selbst für das gemächliche Sanierungstempo verantwortlich zu sein.

Eine undurchsichtige Rolle spielt dabei ein Berliner Beratungsbüro, das eigentlich den Aufsichtsrat mit Fachinformationen versorgen soll, nach übereinstimmender Einschätzung mehrerer Beteiligter aber seine Kompetenzen bei Weitem überschreitet. So gebe es entgegen des ursprünglichen Auftrags Einzelgespräche mit ausgewählten Aufsichtsratsmitgliedern sowie Gegenkonzepte zu den Sanierungsplänen der Klinik-Geschäftsführung. "Die spielen ein eigenes Spiel", warnt ein Insider. Und zwar zum Nachteil Harrisons.

Der Klinikaufsichtsrat ist paritätisch mit Vertretern der Stadt sowie der Arbeitnehmer besetzt und wird vom Dritten Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne) geleitet . Das Gremium war bereits im Herbst in die Kritik geraten, als es um die Schließung des konzerneigenen Textilservices ging. Damals setzte sich der Stadtrat demonstrativ über den Aufsichtsrat hinweg, mit dem - so mehrere Politiker hinter vorgehaltener Hand - ein zeitnaher Beschluss nie zustande gekommen wäre. "Kein einziger Beschlussvorschlag, welche Teile eines Sanierungsprogramms angegangen werden können", sei aus den Reihen des Gremiums gekommen, ärgerte sich damals Oberbürgermeister Christian Ude (SPD).

Tatsächlich gibt es bis heute zahlreiche offene Fragen grundsätzlicher Art. So steht noch immer nicht im Detail fest, welcher der drei Klinik-Geschäftsführer eigentlich für welche Aufgabe verantwortlich ist - ja selbst die Kompetenzen des Aufsichtsrats sind nicht eindeutig definiert. Die neue medizinische Architektur, also die Verteilung der Fachgebiete zwischen den einzelnen Häusern, wurde über Monate hinweg vertagt, weil die Mehrheit des Aufsichtsrats immer wieder zusätzliche Informationen verlangte - in einer Detailtiefe, die selbst einigen Mitgliedern des Gremiums viel zu weit geht. Der Aufsichtsrat, so die Kritik, sei nur für die große Linie zuständig. Das operative Geschäft falle dagegen in die Kompetenz der Geschäftsführung, zu der allerdings nicht jedes Mitglied des Aufsichtsrats Vertrauen hat. Es soll sogar schon ernsthafte Bestrebungen gegeben haben, Harrison abzusägen. "Die Situation ist angespannt", berichtet ein Eingeweihter, der - wie sämtliche am Sanierungsprozess beteiligten Politiker und Aufsichtsräte - bei diesem heiklen Thema seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Ohnehin gilt es schon seit Monaten als offenes Geheimnis, dass sich der Aufsichtsrat gerne intensiv mit der Tagesordnung, dem eigenen Selbstverständnis und der Frage beschäftigt, wer welche Informationen an die Presse weitergegeben hat. Also seiner Arbeit sehr gründlich nachgeht, wie Wohlmeinende urteilen - und dabei leider nicht vom Fleck kommt, argumentiert die Gegenseite. Dass in dem Gremium Verunsicherung herrscht, erstaunt angesichts des Hygiene-Skandals von 2010 sowie den immer noch bedenklich hohen Defiziten niemanden im Rathaus; schließlich müssen die Mitglieder im schlimmsten Fall für Fehlentscheidungen haften.

Entsprechend penibel bereiten die Aufsichtsräte ihre zahlreichen Sitzungen vor. Viele Vorlagen, lautet einer der Vorwürfe an Harrison, seien jedoch so unvollständig, dass man keine verantwortungsbewusste Entscheidung treffen kann. Ob das stimmt, ist in dem Gremium umstritten. Sicher ist, dass durch die zahlreichen Nachfragen viel Zeit vergeht. Zeit, die - so warnen Experten nachdrücklich - das Klinikum nicht mehr hat. Verschärft werde die Situation dadurch, dass angesichts der weit verbreiteten Klientelpolitik oft das große Ganze ins Hintertreffen gerate.

Die vielen Nachfragen haben noch einen anderen Effekt: Sie kosten viel Arbeitszeit in den Büroetagen des Klinik-Konzerns. Seit einigen Monaten sind zu den Aufträgen aus dem Aufsichtsrat auch noch die Informationswünsche eines Berliner Büros gekommen, das sich der Aufsichtsrat zur Fachberatung engagiert hat. Auch die externen Experten "gehen sehr in die Tiefe" beziehungsweise "betreiben eine Parallel-Geschäftsführung" - bei dieser Frage gibt es unterschiedliche Sichtweisen im Aufsichtsrat.

Inzwischen macht unter den Beteiligten ein abenteuerlich klingendes Gerücht die Runde: dass die Berater mit Harrison so unbarmherzig umgehen, weil sie am liebsten ihren Job übernehmen würden. Das Büro war am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Doch selbst dessen Gegner betonen, dass die Berater ein solches Ansinnen selbstverständlich zurückweisen. Demnächst beschäftigt sich der Aufsichtsrat mit der Verlängerung des Beratervertrags, die vor einigen Wochen versehentlich ohne die eigentlich erforderliche Ausschreibung erfolgt ist. Ob man weiterhin Berater braucht, ist - wieder einmal - umstritten.

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