Kostprobe:Oh, du wechselhafte Italianità

Das Ristorante "Mi casa su casa" in Planegg hat wieder geöffnet - und ist in mancher Hinsicht schwer berechenbar

Von Gertrude Fein

Früher diskutierten die Italiener auf der Piazza, am Strand oder in der Bar gerne und ausgiebig über Politik, nicht immer ging das ohne Streit ab, aber man blieb sich gewogen. Seitdem sich quasi die halbe Nation der singenden Grinsekatze Silvio zum Fraß vorgeworfen hat, sind diese Zeiten vorbei. Ein politischer Disput kann leicht zu ewiger Feindschaft führen und hat schon ganze Dörfer und langjährige Freunde entzweit. Die Katze singt zwar nicht mehr, das Grinsen ist festgetackert, sie spielt aber immer noch mit Mäusen aller Couleur. Seither spricht man auf der Piazza, am Strand und in der Bar statt über Politik nur noch über Essen, Ristoranti und Rezepte mit ähnlicher Leidenschaft wie früher über Politik.

Das nach langer Pause und Streit mit dem Vorpächter wiedereröffnete Mi casa su casa in Planegg dürfte in so einer Runde sehr divers diskutiert werden. Die topschicke Einrichtung in warmen Brauntönen, mit schönen Lampen, Tischen mit dicken Holzplatten und bequemen Sesseln käme wohl gut an, das Angebot auf Wochenkarte und der Tagestafel ebenfalls.

Aber was dann aus der Küche kam, war doch zu unterschiedlich, um in Begeisterung auszubrechen. Beispiel Spaghetti ai frutti di mare: Dieses Gericht sollte, wenn es aufgetragen wird, ein genüssliches "Ahhh" auslösen. Hier löste es gar nichts aus, außer die Suche nach den Meeresfrüchten. In der Riesenmenge einer guten Spaghettisorte versteckten sich lediglich kleine Stücke von Fisch, ein paar Vongole, drei große Krabben und etliche kleine. Die Tomatensauce ließ sich mit etwas Pfeffer und gutem Olivenöl, das auf dem Tisch stand, aufpeppen (13,50). Das Gericht sollte eine zweite Chance bekommen. Und siehe da, an einem anderen Abend duftete es recht verlockend, ein dekorativer halber Scampo machte optisch was her, und die Sauce brauchte keine Nachhilfe, allerdings fehlten diesmal die Muscheln. Mehr Meeresgetiers wäre auf jeden Fall angebracht, auch wenn der Preis dann etwas höher ausfiele.

Mi casa su casa

Qualität: ●●●●●●●○○○

Service: ●●●●●●●●○○

Ambiente: ●●●●●●●●●○

Preis/Leistung: ●●●●●●○○○○

Bahnhofstraße 22, 82151 Planegg

Telefon: 089 - 85 64 12 12

www.micasasucasa.de

Öffnungszeiten

Täglich von 11.30 bis 1 Uhr, warme Küche bis 22.30 Uhr, Café und Bar 8 bis 1 Uhr

Mit Wechselbädern ging es weiter, sollen ja gesund sein. Die Minestrone mit bissfestem Gemüse schmeckte sehr gut und war sicher gesünder als die der italienischen Nonna, wo diese Suppe den ganzen Tag auf dem Herd köchelt (6,50). Auch die Gemüsebrühe mit Eierflocken beim Mittagsmenü war tadellos. Sie gab es zum Pasta- und zum Pizzamenü (je 9,50). Die Pasta war ordentlich al dente, aber das Hackfleisch der Sauce war nicht angebraten, und so schwamm es grau und lustlos zusammen mit ein paar Erbsen und Karotten um die Nudeln. Die Pizza mit Tomaten, Mozzarella und Rucola sah gut aus und schmeckte auch nicht schlecht, aber nach ein paar Bissen war der Boden durchgeweicht und hing traurig von der Gabel. Danach brauchte es einen Espresso, und der von Vergnano war ausgezeichnet (2,00).

Nach kleineren und größeren Enttäuschungen gab es immer wieder angenehme Erfahrungen. So waren die Calamari mit feinen Kräutern einwandfrei gegrillt, zart und von charakteristischem Geschmack, wenn auch nicht gerade preisgünstig (19,90). Auch die Lammkoteletts, eine recht große Portion mit gutem Gemüse, waren ohne Fehl und Tadel (21). Und die Tagliatelle alla Veneziana mit vielen perfekt gebratenen Leberstücken und geschmorten Zwiebeln hatten das Zeug zum Lieblingsgericht (12,90). Der Risotto mit grünem Spargel und Krabben hatte zwar die richtige Konsistenz, was hierzulande recht selten vorkommt, sah aber aus wie Babybrei und schmeckte ähnlich aufregend (kleine Portion: 10,90). Die nicht zu süße, prächtige Tiramisu zum Nachtisch machte ihrem Namen Ehre. Sie zog die Stimmung nach oben (9,50). Das war auch nötig, denn die Weinpreise waren dazu geeignet, diese tief in den Keller zu drücken. Neun Euro achtzig für einen Schoppen Lugana oder vier Euro für ein 0,1 -Glas Sauvignon blanc, beide von fruchtigem, kräftigem Geschmack, aber keineswegs überragend, sind schon grenzwertig.

Kostprobe: Topschicke Einrichtung in warmen Brauntönen, schöne Lampen und Tische mit dicken Holzplatten: Das Ambiente im "Mi casa su casa" stimmt. Was aus der Küche kommt, ist zu unterschiedlich, um in Begeisterung auszubrechen.

Topschicke Einrichtung in warmen Brauntönen, schöne Lampen und Tische mit dicken Holzplatten: Das Ambiente im "Mi casa su casa" stimmt. Was aus der Küche kommt, ist zu unterschiedlich, um in Begeisterung auszubrechen.

(Foto: Catherina Hess)

Aber was soll das Gemeckere? Die Kellner haben die richtige Tour drauf, ragazzi hier und carissime da, wer sollte diesem charmanten Schmäh widerstehen? Die Tische stehen dicht bei dicht; bei vollem Haus - und das ist es fast immer - versteht man sein eigenes Wort nicht mehr, dafür aber die Unterhaltung am Nachbartisch. Den Leuten gefällt es offenbar, sie empfinden das vielleicht als Nestwärme oder besser noch: als Italianità.

Im Erdgeschoß gibt es eine Bar, die ebenfalls gut besucht ist, vor dem Haus stehen einige Tische, die bei jedem Sonnenstrahl sofort besetzt sind. Im Sommer lockt eine schöne, ruhige Terrasse im Obergeschoss.

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