Kostprobe:Hoher Anspruch, nicht immer erfüllt

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Das Zwei-Sterne-Restaurant im Feinkosthaus Dallmayr bietet viele Highlights - aber nicht alle sind auch perfekt

Von Tina von Norden

Kürzlich an einem Abend in der Oper beschäftigte das Publikum in der Warteschlange zum Sekt wieder die viel diskutierte Frage, ob der Dallmayr das Catering hier inzwischen voll im Griff hat. So erstaunlich es vor ein paar Monaten war, dass der eine Münchner Feinkostplatzhirsch (Dallmayr) dem anderen (Käfer) den prestigeträchtigen Auftrag entwunden hat, so holperig schien manches unter Dallmayr anfangs mit dem Opernservice zu laufen. Gäste klagten über langes Warten oder kaltes Essen - Wohlmeinende sind sicher, das sind Anfangsfehler. Der Name Dallmayr steht schließlich für Delikatessen und auch für Spitzengastronomie.

Allem voran gilt das für das Restaurant im Stammhaus in München. Seit 2001 kocht Diethard Urbansky im Gourmetrestaurant, 2007 erhielt er den ersten Michelin-Stern, 2008 den zweiten. Ein Niveau, das nur fünf Häuser in München bieten können. Entsprechend hoch waren die Erwartungen bei einem freitagabendlichen Besuch in Urbanskys Reich. Diese wurden dann jedoch, das sei hier vorweggenommen, in manchem unterschritten. Weil nicht alles perfekt mundete - und weil man uns etwas zu sehr bevormundete.

Dabei fing es vielversprechend an. Am Vortag des Besuchs rief Dallmayr an und erkundigte sich nach Unverträglichkeiten und Allergien, ein schöner Service.

Dann begann der lang erwartete Abend. In Sternerestaurants ist der erste Aufzug, das Entree, häufig eine wichtig genommene Angelegenheit. Man will ja schon sehen und gesehen werden - gerade in München. Hier unterscheidet sich das Dallmayr deutlich von seinen Wettbewerbern. Die Gäste gelangen nämlich über eine enge, steile Treppe vom Parterre des Feinkostladens ins lukullische Hochamt. Ein Zitat von der Website: "Nach Ladenschluss klingelt man an der Eingangstüre zum Delikatessenhaus, wird persönlich abgeholt und nach oben geleitet - wie zu Besuch bei guten Freunden." Ja, so lässt es sich beschreiben, wenn auch in den Wohn- und Esszimmern unserer Freunde eine etwas entspanntere Atmosphäre herrscht als in den zwei Räumen mit Blick auf die Frauentürme. Das Interieur ist wertig, wirkt aber auch gediegen-langweilig. Die Vorgabe könnte gelautet haben: Dallmayr, aber weniger barock.

Dallmayr, aber weniger barock: Blick in das Gourmetrestaurant im ersten Stock des Hauses. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Empfang war freundlich, und kaum saßen die Gäste, begann die würdevoll, aber streng inszenierte Abfolge: Wasser, Aperitif, Brot, Gruß eins, Gruß zwei, und erst danach die Menükarte. Zum Aperitif rollte der charmante und kenntnisreiche Sommelier Julien Morlat sein Wägelchen mit drei Schaumgetränken an. Die Frauen nahmen ein Glas Dallmayr Rosé. Auch wenn es inzwischen leider vielerorts Unsitte ist, empfanden wir die Preisgestaltung mit 24 Euro als happig. Das erste Amuse Bouche vom Champignon mit einer intensiven Note von Erde und Torf mochte am Gaumen gar nicht vergehen, so dass sich der Champagner schwer tat. Der zweite Gruß neutralisierte den ersten. Jedoch blieb die Panna Cotta von der Petersilienwurzel mit einem Selleriestückchen blass und von der Konsistenz zu fest.

Endlich durften die Gäste nun einen Blick in die Speisekarte werfen. Zuvor war das Siegel zu brechen, denn jede der kunstvollen Karten ist mit Siegellack verschlossen. Eine feine Idee, nur die Tischdecke leidet unter ihr. Doch der aufmerksame und freundliche Service unter Maître Barbara Englbrecht sorgte für die notwendige Kehrarbeit und beseitigte die Siegelbrösel.

Als Menüs gab es an diesem Abend eine Urbansky-Retrospektive (ein Best of der letzten zehn Jahre für 195 Euro) sowie ein Sechs-Gang-Menü (140 Euro). In unserer Runde gab es divergierende Interessen sowie den Wunsch, das kulinarische Schaffen umfassend zu ergründen, doch leider ließ sich die Küche nicht erweichen, beide Menüs an einem Tisch zu servieren. Die Erklärung: "Herr Urbansky hat sich dabei etwas gedacht". Wir wählten also sechs Gänge für alle, einmal ohne Fleisch. Was nun vollends überraschte, war, dass die Nicht-Fleisch-Speisen aus eben jenem "10 aus 10"-Menü entsprangen, das sonst nur tischweise zu bestellen war. Der Gast muss nicht alles verstehen, aber wir hätten uns die Unkompliziertheit des Service auch aus der Küche erhofft.

Das Menü startete mit einer Entenleber, geeist darüber geraspeltem Rinderfilet und Rumtopffrüchten. Das Zusammenspiel von Leber und Rumtopf überzeugte, das gefroren-geraspelte Rinderfilet blieb auf der Strecke, sensorisch und geschmacklich. Als Fleischalternative wurde Aal in Aal mit roter Zwiebel serviert. Alles prächtig schmeckend, ohne Fehl und Tadel, aber es fehlte der spannende Kontrapunkt zum buttrigen Schmelz des exzellenten Fisches. Der geschmack- und gehaltvolle 2013er Dottinger Castellberg Weißburgunder vom Weingut Martin Wassmer (78 Euro die Flasche) aus der bestens sortierten Weinkarte indes war ein schöner Begleiter. Beim zweiten Gang war der hervorragend gebratene Seeteufel fest und doch zart. Uns gefielen die dazu gereichten Lardo-Päckchen als knusprig-geschmackvolle Begleitung. Beim folgenden Kabeljau mit karamellisierter Crème fraîche war die rauchige Malznote, die man mögen muss, der Sieger von wettstreitenden Aromen.

Auch wenn es sich hier um Kritik auf hohem Niveau handelt: Der Enthusiasmus war zu diesem Zeitpunkt begrenzt, also musste der Hauptgang einiges rausholen. Und das tat er. Der Lammrücken war von seidiger Zartheit und aromatischer Opulenz. Dazu wurde ein Curry von Lamm-Innereien gereicht, samtig, konzentriert, erdig. Eine Freude. Auch der fleischlose Hauptgang geriet spektakulär. Die Rotbarbe war feinster und frischester Fisch, begleitet wurde sie von butterweichem Oktopus, und als Highlight war sie übersät von knusprigen Schuppen. Ein toller Kontrast.

Die Glückseligkeit des Tisches wurde beim nächsten Gang wieder auf die Probe gestellt. Alter Gouda, Dinkel und Sellerie versprach die Karte. Und es folgte genau das. Gehobelter Gouda auf einem Dinkelbrot. Lichtblick war das knackige Sellerie-Chutney. Das Dessert von Birne, Estragon und Ziegenmilch mit Schwarzkümmel war gelungen, wenn auch stark von dem tierischen Protagonisten dominiert.

Als Gesamteindruck blieb, dass zu viele Gänge die hohen Erwartungen nicht ganz trafen. Versöhnlich stimmten am Ende die großzügig gereichten, herrlichen Pralinen. So schloss sich ein trotz manchen Makels schöner Abend: Vom Parterre des Delikatessenhauses hoch in den ersten Stock der Kulinarik und schlussendlich zur Patisserie, einem dallmayrschen Aushängeschild.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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