Kostprobe:Ein Bayer mit Stärken und Schwächen

Die "Schwalbe" im Westend hat ein schönes Konzept, aber sie macht es dem Gast manchmal überhaupt nicht leicht

Von Tankred Tunke

Dieser Text ist leider veraltet, das Restaurant gibt es inzwischen nicht mehr.

Ein halbes Jahr ist es nun her, dass Karl Ederer das Wirtshaus Zur Schwalbe im Westend übernommen hat, und die gedruckten Zeugnisse der medialen Aufregung darum hat sich der Chef inzwischen gerahmt aufs Herrenklo gehängt. "Starkoch eröffnet Restaurant im Arbeiterviertel" - das war damals, wenn nicht gleich die Schlagzeile, so doch der Tenor der Geschichten und natürlich: gleich in doppelter Hinsicht romantisch übertrieben.

Weil die Tatsache, dass man mal unter Witzigmann gearbeitet und später einen Michelin-Stern erkocht hat, selbst für das Fame Game in Münchner Küchen schon lange nicht mehr langt. Und während der frühere Promi-Koch auch aus Überzeugung downgeshiftet hat, musste sich das "Arbeiterviertel", das Westend , ein ständiges Upgrading gefallen lassen. Die Autos der Gäste von Meister Ederer machen deshalb heute nicht mal mehr Besucher der benachbarten Sportwettenläden neidisch, einige Meter weiter laden Edelfranzose und Edelthailänder zu Tisch, und der Quadratmeterpreis für die zu Townhouses aufgebrezelten Hinterhofwerkstätten ums Eck bewegt sich stramm auf die 8000 Euro zu.

Kostprobe: Im Nebenraum findet man eine Kegelbahn, auch wenn die schon etwas betagt ist.

Im Nebenraum findet man eine Kegelbahn, auch wenn die schon etwas betagt ist.

(Foto: Robert Haas)

All das ist wichtig, weil die Schwalbe mit ihrem hübschen Biergarten und der rumpeligen Kegelbahn ein Traditionslokal ist, das für sehr viele (und zum Glück sehr verschiedene) Menschen im Viertel eine Bedeutung hat. Mehrere Pächterwechsel hatten das einst enge Verhältnis zwischen Haus und Gästen zuletzt etwas getrübt. Bei einer Übernahme konnte es also nicht darum gehen, künstliche Gegensätze zu konstruieren, sondern möglichst viele Leute einzubinden. Und mit seinem Konzept "Heimat Food", eine zwar gehobene, aber bezahlbare Regionalküche zu servieren, mit Qualitätsprodukten und saisonal ausgerichtet, war Karl Ederer da stets auf gutem Weg. Auch das freundliche Erscheinungsbild des dunkel getäfelten Gastraums mit den hellen Holztischen wurde nur diskret verändert. Vom Kulturschock für die Fangemeinde konnte also kaum die Rede sein.

Sperriger wirkt da schon die Serviceauffassung des Chefs, der ausgewählten Gästen gern Gesellschaft leistet, was in einem Traditionsgasthaus kein Problem sein sollte. Vorausgesetzt, das Personal ist nicht am Rudern. Weil die Gratwanderung zwischen "entspannt" und " indifferent" dann plötzlich schmal wird. Der Service in der neuen Schwalbe hat sich zuletzt verbessert. Etwas unvorhersehbar ist er geblieben. Mal war die Halbe zu warm, mal sehr optimistisch eingeschenkt, mal haben wir eine knappe Stunde aufs Essen gewartet, mal blieb die Butter zum (trockenen) Brot trotz Nachfrage in der Küche. Dann wieder ging alles schnell und herzlich zu. Ein Rätsel.

Kostprobe: Starke Sache, die gefüllte Kalbsbrust von Küchenchef Karl Ederer. Im Wirtshaus Zur Schwalbe gibt es häufig Gerichte, bei denen das ganze Tier verwertet wird.

Starke Sache, die gefüllte Kalbsbrust von Küchenchef Karl Ederer. Im Wirtshaus Zur Schwalbe gibt es häufig Gerichte, bei denen das ganze Tier verwertet wird.

(Foto: Robert Haas)

Der Blick auf die Karte (das Tagesangebot auf der Tafel nicht vergessen!) ist hingegen ein uneingeschränktes Vergnügen. Erstens, weil Ederer auch Wirtshausklassiker wie Brotzeitteller (9,00 bis 11,00 Euro) und Wurstsalat (7,00) weiter führt, der Gast sich also entscheiden kann, ob er gehoben speisen oder nur im nachbarlichen Wirtsgarten die Halbe vom Holzfass begleiten möchte. Zum anderen ist die Auswahl erfreulich spannend, weil der Chef gern mit dem ganzen Tier kocht, wie es ja eigentlich in der bayerischen Küche auch üblich ist.

Auf was Gäste, die nur noch gebleichte Hühnerbrust verzehren, doch alles verzichten! Da wäre etwa dieser würzige wie fluffige Blutwurststrudel, serviert auf einem Beet aus feinen Salaten (9,00). Oder die zarte, aromatische Leber vom Zicklein auf lauwarmen Artischockenwürfeln (14,00). Zudem wünscht man sich, dass mehr Wirte den Mut hätten, ihren Gästen Schweinefuß und -kopf (18,00) zu servieren, besonders, wenn er so geschmackvoll und herrlich kross gebraten ist wie in der Schwalbe.

Wirtshaus Zur Schwalbe

Qualität: ●●●●●●●○○○

Service: ●●●●●●○○○○

Ambiente: ●●●●●●●●○○

Preis/Leistung: ●●●●●●○○○○

Schwanthalerstraße 149

Telefon: 089 - 23 23 96 65

www.heimatfood.com

Öffnungszeiten

Di.-Fr. 12 bis 15 Uhr und 18 bis 23 Uhr

Sa. / So. 15 bis 23 Uhr

Montag Ruhetag

Eine Stärke des Hauses sind die Vorspeisen, auch weil sie das übliche Biergarten-Einerlei aufmischen: Die geeiste Gurkenkaltschale (6,00), eine Art bayerische Gazpacho, war zur Sommerhitze wunderbar, Sardellen sollte man öfter auf Schmalzbrot und Friseesalat essen (8,00), und die gedünsteten Artischocken (10,00) wussten zwar mit der von der Küche forcierten Nachbarschaft auf dem Teller - Linsen und rote Zwiebeln - nicht viel anzufangen, doch separat schmeckte beides tadellos.

Nun muss sich der Küchenchef aber fragen lassen, warum er Gäste, die so schön am Schwelgen sind, immer wieder ernüchtert. Etwa bei Beilagen und Soßen: mal nur eine Mini-Nocke Spinat, mal drei Gabeln Spitzkohl in Butter neben zwei halben Babykartoffeln, ein Sprutz hier, ein Sprenkler dort - manches ist so loriotmäßig portioniert, dass der Gast rätselt, ob er das als Persiflage auf die Haute Cuisine lesen soll.

Auch verlässt sich Ederer bisweilen zu stark auf das Produkt. Selbst das beste Stück Schwein von den Herrmannsdorfer Landwerkstätten (18,00) kann nicht für sich sprechen, wenn schon das Salz fehlt und das Fleisch trocken ist. Das hingegen perfekt gegarte Bayerwald-Zicklein (18,00) wäre noch besser gewesen, wenn die herrliche Soße gereicht hätte. Den Donauwaller (21,00) wiederum hätte man vorher probieren sollen. Es ist ja in Ordnung, wenn dieser Fisch mal etwas schlammig schmeckt, nur sollte man ihn dann nicht mit Rote-Beete-Soße kombinieren, weil der Teller so rasch in Richtung muffigen Keller abschmiert.

Ein Mysterium war dann die Aromenkombination bei den Desserts. Das Joghurt-Honig-Mus (7,00) schmeckte nach: nichts. Zum adstringierenden Rhabarber-Pfannkuchen (6,00) gab es saures Orangensorbet, zur ebenfalls sauren Aprikosen-Tarte saures Zitronenparfait (7,00).

Man wünscht sich für die Schwalbe also nicht nur einen Brunnen mit Sahne und süßer Vanille-Soße, sondern auch etwas mehr Konsequenz und Genusslust in der Küche. All die schönen Ideen haben es nicht verdient, in Schönheit zu sterben.

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