Kostprobe:Auch Einfaches will gut gemacht sein

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Bei der Pastabar Nudo in der Maxvorstadt fehlt nicht viel zum unkomplizierten Lokal mit Wohnzimmercharme

Von Tankred Tunke

Das eine magische Rezept für den Erfolg eines Restaurants - das wissen Gastronomen genau - gibt es leider nicht. Doch wenn es eins gäbe, dann müsste es auf diese Zutaten setzen: lässigen (bis nachlässigen) Chic, unkomplizierten Service, gute, möglichst regionale Produkte, Nachhaltigkeit.

Das ist das Mantra, das schon länger überall zum Thema vorgetragen wird, egal ob man beim Guide Michelin nachfragt oder im Germanistik-Seminar der LMU. Und schließlich: Mit gutem Gewissen gut essen und sich dabei wie zuhause fühlen, nur besser eben - wer wäre nicht begeistert von einem solchen Lokal?

Die Pastabar "Nudo" in der Maxvorstadt trägt dieses Konzept bereits im Namen: "Nudo" bedeutet nackt, transparent offen, und der Anspruch soll hier auf so gut wie alles bezogen werden, wie schon auf der Internetseite und auf der obligatorischen Klemmbrett-Speisekarte nachzulesen ist: auf den bewussten Umgang mit guten Produkten ("schnelles Slow Food"), die lockere Atmosphäre ("authentisches, zwangloses Miteinander"), ja sogar auf Design und Einrichtung ("Stilmix mit Wohnzimmercharme").

Wie gesagt: Wer wollte da widersprechen? Nur wundert man sich eben, ob die Gastronomen nicht langsam mal müde werden, zwanghaft zu betonen, wie zwanglos es heute überall zugeht.

Tatsächlich wirkt das Nudo schon beim Betreten gemütlich. Aus der Schlauchform des Lokals wurde das Beste gemacht: Die Rückwand der Bar ist mediterran gekachelt, der Tresen mittig angeordnet, damit er den Raum trennt und auflockert. Die winzigen Tische werden hier nach Bedarf zusammengestellt, und entlang der Wände verlaufen lange Bänke. Eng zusammenzusitzen gehört zum Programm, wer es zeitgeistig mag, findet hier vielleicht sein prototypisches Stammlokal, unverputzte Betonwände und Rustikalholzverschalung inklusive. Zu dieser Art von Charme gehört auch, dass über die Glühbirnen noch einmal nachgedacht werden darf, weil das Licht über den Tischen ein wenig blendet.

Klein, aber fein: Die Pastabar Nudo setzt auf vergleichsweise normale Gerichte, bei denen sich der Koch nicht verkünstelt. Die Bolognese allerdings muss sechs Stunden lang köcheln, da legen die Nudo-Macher Wert drauf. (Foto: Florian Peljak)

Manches Detail weckt die Befürchtung, der Kellner werde kein Essen auftragen, sondern sich erst dazusetzen, um eine Viertelstunde über selbstgemachte Limonade zu referieren und einen dann in die WhatsApp-Gruppe der Nudo-Freunde aufzunehmen. Die Sorge ist unbegründet, der Service nett, ohne Anbiederei und: schnell. Bemerkenswert, wie da ein Kellner knapp 25 Gäste versorgt, wobei viele Getränke (Helles von Maxlrainer) zeitsparend aus dem Kühlschrank im Gang genommen und kleine Verwirrungen gern verziehen werden.

Die Karte ist klein und schlicht, was nicht nur dem Nachhaltigkeitsanspruch, sondern auch dem Gast entgegenkommt, wer will schon 20 Minuten lesen, bis er bei den Desserts angelangt ist? Das Nudo ist stolz auf seine Pasta, Visitenkarte des Hauses ist die über sechs Stunden gegarte Bolognese-Sauce. Wir beginnen aber mit den gemischten Antipasti (18,50 Euro für zwei Personen), die sich zwar als in Ordnung erweisen, in ihrer mediterranen Schlichtheit (gegrilltes Gemüse, Oliven, Grana Padano, Hummus und Datteln im Speckmantel) bei Tisch allerdings die Frage aufwerfen, wo genau die Grenze zwischen einfach und einfallslos verläuft. Sehr viel feiner, weil tief und rund im Geschmack, ist da schon die Kürbis-Maroni-Suppe mit steirischem Kernöl (4,50).

Ebenfalls angenehm aromatisch schmecken die mit Kürbis und Tomate gefüllten Ravioli (11,50). Doch schon mit den Primi offenbart sich immer deutlicher ein Denkfehler bei vielen Tellern hier, der eigentlich leicht zu beheben wäre. Denn je "ehrlicher" und transparenter ein Essen ist, um im Nudo-Sprech zu bleiben, desto wichtiger wird handwerkliche Exaktheit.

"Nudos beste Bolognese" (16) etwa ist durchaus gut, mit ihrem vielen Gemüse und dem zarten, langzeitgegarten Fleisch. Doch ist sie auch ein wenig aromenüberfrachtet (Sternanis, Fenchelsaat). Vor allem aber: Warum lässt man eine Soße aufwendig sechs Stunden köcheln, wenn dann die Nudeln viel zu weich sind? Und wieso drapiert man sorgsam grillte Tintenfischarme auf einem matschigen, ja suppigen Risotto (11,50), in dem Pilze, Pulpo, Tomaten, Parmesan und Kräuter um die Hoheit am Gaumen rangeln? Da darf noch an den Grundlagen gefeilt werden, ein gutes Pilzrisotto ist allemal besser als ein schlechtes mit Pulpo.

Ähnlich ist es bei den "Wilden Salaten": Die sind nämlich im Grunde gut, mit interessanten Blättern, Sprossen, Granatapfelkernen und, in unserem Fall, großzügig mit Roastbeef belegt (15,50); wäre dazu nun noch die Vinaigrette weniger ölig und besser ausbalanciert, wäre jeder glücklich.

Die Steaks hier (Rib Eye für 26 Euro, Lende für 24, beides von der Metzgerei Heilmeier aus Waging am See) kommen mit gegrilltem Gemüse, Salsa Verde oder Kräuterbutter und sind grundanständig gebraten. Doch spätestens bei den Desserts war das kleine Handwerksproblem wieder auf dem Tisch: Die Schokomousse (4,50) viel zu fest, die Crème brûlée (4,50) bröselig wegen des gestockten Eigelbs und der an sich gute Kaiserschmarrn (8,5) mit ordentlich Amaretto-Karamell deutlich zu süß. Alles leicht vermeidbare Schönheitsfehler.

Diese Kritik ist durchaus konstruktiv gemeint. Weil das Nudo ein Beispiel dafür ist, wie sich mit nicht sehr vielen Handgriffen aus einem etwas überambitionierten (und offenbar beliebten) Lokal ein recht gutes Lokal machen ließe. Wo man die Kunst der Einfachheit beherrscht, wären wir auch interessiert an den Nose-to-Tail-Abenden, die das Nudo alle paar Monate anbietet.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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