Kosten für Kinderbetreuung:München entlastet kinderreiche Familien

Kinderbetreuung

Foto: SZ-Grafik

  • Das Bildungsreferat will die sogenannte Geschwisterkind-Ermäßigung neu regeln.
  • Bisher müssen Eltern meist für das älteste Kind keine Betreuungsgebühren mehr zahlen - künftig soll stattdessen das dritte Kind befreit sein.
  • Eltern mit drei und mehr Kindern könnten monatlich Hunderte Euro sparen - vorausgesetzt die Kleinen werden nicht in einer privaten Kita betreut.

Von Melanie Staudinger

Die Stadt München will kinderreiche Familien finanziell mehr entlasten. Wer drei oder mehr Kinder hat, kann bald kräftig bei den Kosten für die Kinderbetreuung sparen. Denn das Bildungsreferat plant, die sogenannte Geschwisterkind-Ermäßigung neu zu regeln. Nach den bisherigen Richtlinien müssen Eltern meist für das älteste Kind keine Gebühren mehr zahlen - dessen Betreuung die Familien aber oft ohnehin am wenigsten kostet. Von Frühjahr an soll stattdessen das dritte Kind von den Gebühren befreit sein. Von dem freiwilligen Bonus profitieren aber nur die Eltern, die ihre Kinder in städtischen oder von der Stadt bezuschussten Einrichtungen betreuen lassen. Für fast alle Eltern-Kind-Initiativen gilt die Neuregelung nicht. Und dort formiert sich Protest.

Als er die Rechnung für die Krippe seiner Zwillinge bekam, fühlte Peter Birkl sich ungerecht behandelt. Fest hatte der Vater, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, damit gerechnet, dass er für sein jüngstes Kind keine Betreuungskosten zahlen müsse. So hatte er es doch in der städtischen Satzung gelesen. Aber er hatte einen Fallstrick übersehen. Denn sein ältester Sohn besucht ein städtisches Tagesheim, die Zwillinge eine kirchliche Krippe. Die Stadt übernimmt die Kosten für ihr eigenes Tagesheim, nicht aber für die Krippe. Blöd nur, dass letztere wesentlich teurer ist: 281 Euro kostet die Betreuung des dritten Kindes, die des großen Bruders nur 140 Euro. Auf die gesamte Betreuungszeit gesehen zahlt Birkl 1500 Euro mehr als Familien, die alle Kinder in einer städtischen Einrichtung haben.

Damit steht er nicht alleine da. Auch Isabella Losen (Name geändert) hoffte auf eine Befreiung für ihr drittes Kind. Das besucht eine Krippe der Arbeiterwohlfahrt (Awo) für 390 Euro im Monat. Das mittlere Kind geht in einen katholischen Kindergarten, das ältere in einen städtischen Hort (beides 160 Euro). "Ich verstehe schon, dass es für die Stadt am einfachsten ist, wenn sie den städtischen Platz ermäßigt", sagt Losen. Doch sie habe keine Wahl gehabt: "Ich habe mein Kind für städtische Kitas angemeldet, dort aber keinen Platz bekommen." Peter Birkl glaubte zunächst an eine "ungewollte Benachteiligung" und beschwerte sich bei Münchens Dritter Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD). Die bestätigte die Berechnung, sicherte allerdings eine interne Überprüfung der Gebühren zu.

Diese sei nun abgeschlossen, heißt es im Bildungsreferat. Im kommenden Frühjahr soll der Stadtrat über eine neue Gebührensatzung beraten. Diese enthalte eine Lösung, wie die Ermäßigung von Geschwisterkindern eindeutig und gerecht umgesetzt werden könne. Demnach sollen alle Kinder einer Familie dem Alter nach geordnet werden. Das Älteste bekommt keine Ermäßigung, das zweite wie bisher die sogenannte Zwei-Stufen-Ermäßigung, also einen kleineren Bonus. Vom dritten Kind an zahlen Eltern nichts mehr. "Für die Familien ist dies vorteilhaft, weil dann in der Regel das Kind, für das die höchste Gebühr zu entrichten wäre, kostenfrei wird", sagt eine Sprecherin des Bildungsreferates. Allerdings wird die Neuregelung nur in städtischen Kitas und den Einrichtungen gelten, die sich dem freiwilligen Zuschusswesen der Stadt, der Münchner Förderformel, unterworfen haben.

Bis zu 421 Euro

Die Kita-Gebühren in München stehen immer wieder in der Diskussion, vor allem weil die Berechnung kompliziert ist. Grundsätzlich sind Krippenplätze teurer als Kindergarten- oder Hortplätze. Der Beitrag staffelt sich nach dem Einkommen der Eltern: Wer mehr als 60 000 Euro an Einkünften hat, zahlt voll. Unter 15 000 Euro ist der Platz kostenlos. Dazwischen gibt es mehrere Abstufungen. Zudem sind die Kosten abhängig von der Betreuungsdauer. Am teuersten ist in städtischen Einrichtungen ein Krippenplatz mit einer Buchung von mehr als neun Stunden: Er kostet in der höchsten Verdienstkategorie 421 Euro. Im Schnitt am günstigsten kommen Eltern im letzten Kindergartenjahr weg. Hier gewährt der Freistaat einen Extra-Bonus, der Höchstbetrag liegt daher bei 102 Euro. mest

Maxie Burianek, Mutter von vier Kindern, würde demnach von dem neuen Bonus nicht profitieren. Sie hat die drei jüngeren Kinder in einer Eltern-Kind-Initiative untergebracht, das ältere in einer privaten Mittagsbetreuung an der Grundschule. "In einer städtischen Einrichtung haben wir keinen Platz erhalten", sagt sie. Also zahlt sie für alle Kinder voll, 1175 Euro im Monat. Wären die beiden Jüngsten, also Kind drei und vier, kostenlos, würde sie sich 750 Euro sparen. Viel Geld, das die Familie gerne in eine größere Wohnung investieren würde. Auf 95 Quadratmeter lebt sie zu sechst, das Zimmer der kleineren Kinder misst nur acht Quadratmeter. Burianek empfindet es als unfair, dass manche Eltern von der Stadt gefördert würden und andere nicht - zumal man in München den Kita-Platz nehmen müsse, der gerade frei sei.

Auch in Laim regt sich Protest. Dort hat sich um die Initiatorinnen Katharina Heine, Stefanie Döring und Lilli Frimberger mittlerweile eine Interessengemeinschaft gebildet, die notfalls gegen die Gebührenordnung der Stadt vor Gericht ziehen will. "Wir lassen uns derzeit zu dem Thema juristisch beraten", sagt Heine. Von den 223 Münchner Elterninitiativen haben 107 gemeldet, dass es bei ihnen insgesamt 207 Familien mit drei oder mehr Kindern gebe, die von der Problematik betroffen seien. Die Mütter warten nun auf eine Reaktion von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Stadtschulrätin Beatrix Zurek.

Letztere hatte eine Ausweitung der Geschwister-Ermäßigung auf private Einrichtungen abgelehnt, weil dies eine unzulässige Quersubventionierung darstelle. Luxus-Kitas könnten unberechtigterweise in den Genuss von städtischen Geldern kommen. "Wir möchten mit dem Vorschlag dagegen halten, dass es ja durchaus eine Deckelung der Subventionen in Form eines Maximalzuschusses pro Monat geben könnte", sagt hingegen Katharina Heine. Der Förderformel können Eltern-Kind-Initiativen schließlich nicht ohne weiteres beitreten. Heine und ihre Kolleginnen haben das bereits "in aufwendiger Kleinstarbeit" durchkalkuliert - "mit dem eindeutigen Ergebnis, dass sich diese für unsere Einrichtung absolut nicht rechnen würde".

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