Konzertsaal-Zwischenlösung:Nein, danke

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Fläche, die Begehrlichkeiten weckt: Im Stadtviertel hegt man Pläne für den Candidplatz, nun erwägt die Stadt, ein Konzertsaal-Provisorium zu bauen. (Foto: Florian Peljak)

Die Lokalpolitiker kritisieren, dass die Stadt nun auch den Candidplatz als Standort für den Interims-Konzertsaal der Münchner Philharmoniker ins Auge fasst. Sie selbst fordern seit Jahren vergeblich, dort Bleibendes zu schaffen

Von Julian Raff, Untergiesing

Aus dem Sechziger-Stadion schallen die Fangesänge, und ewig rauscht der Ring: Kein Zweifel, Hörerlebnisse bietet der Candidplatz in Fülle, Wohllaut eher nicht - noch nicht. Tatsächlich könnten hier bald Beethoven und Kollegen gegen die permanente Großstadtsymphonie antönen, nicht gerade auf dem Platz, aber hinter den hölzernen Wänden eines provisorischen Konzertsaals, der während des Gasteig-Umbaus die Philharmonie beherbergen soll. Der Standort Candidplatz tauchte zwar erst kürzlich in der Diskussion auf, ist aber in der engeren Wahl, mit einer Fläche im Westen der Messestadt Riem. Obwohl in Sachen Akustik nicht unumstritten, könnte ein Holzbau von 2020 an für mehrere Jahre als Spielstätte dienen. Das Vorbild findet sich in Genf mit der provisorischen "Opéra des Nations".

Die Reaktion aus dem Viertel fällt ziemlich verstimmt aus. "Ich wüsste nicht, was die Anwohner von den an- und abreisenden Konzertbesuchern haben sollten", fragt sich Clemens Baumgärtner, Vorsitzender des Bezirksausschusses Untergiesing-Harlaching. Nun sind drohende Verkehrsströme zwar der häufigste Grund, Großprojekte abzulehnen, doch Baumgärtner fallen spontan eine lange Reihe weiterer Argumente ein, obwohl er von der Konzertsaal-Idee gerade erst per Presseanfrage erfahren hat. Die BA-Kollegen äußern sich in ähnlicher Tonart. Gegen die Zwischennutzung stellen sich die Stadtviertelpolitiker vor allem, weil sie mit dem Platz Besseres und vor allem Dauerhafteres vorhaben, als eine Zwischennutzung - und sei sie noch so hochkarätig.

Wie keine andere im Stadtbezirk schreit die Fläche südlich der Candidstraße nach Aufwertung, gerade weil sie so genutzt wird, wie es ein fast 50 Jahre alter Bebauungsplan vorsieht, nämlich als Großparkplatz. Zwischen die chaotisch gedrängten Autos quetschen sich noch die abgenutzten Containerbauten des Kindergartens St. Franziskus. Für die Kita zeichnet sich zwar eine bessere Lösung ab, dass aber ein Nachbar unter Hinweis auf den Flächennutzungsplan in erster Instanz erfolgreich dagegen klagte, machte nur deutlich, was Baumgärtner als "halbherzigen" Umgang mit dem Platz kritisiert. Statt dass die Stadt dessen Qualität erkenne und sinnvoll überplane, müsse der Ort offenkundig nach dem Motto "Hamma grad nix Besseres" für alles herhalten, was sonst nirgendwo unterkommt.

Als jüngstes Beispiel nennt Baumgärtner ihm zugetragene Gedankenspiele, das umstrittene Zoo-Parkhaus hier zu bauen, 1,5 Kilometer vom Tierpark entfernt. Im Fall des Interims-Konzertsaals habe wohl ein städtischer Sachbearbeiter das 1,5-Hektar-Areal auf dem Stadtplan "mit Lineal und Zollstock" vermessen und für ausreichend groß befunden, vermutet der BA-Chef. Dabei bräuchte Untergiesing spätestens seit dem Bezug des Osram-Quartiers eine bessere Einkaufsversorgung. Bislang ebenso vergeblich setzen sich Baumgärtner und der gesamte BA für den Bau einer Realschule ein. Die Grünen haben außerdem ein Ensemble aus Kulturbürgerhaus und Genossenschaftswohnungen ins Gespräch gebracht. So unterschiedlich die Projekte sein mögen - ein Interimskonzertsaal, der das Gelände von 2020 an jahrelang belegt, würde sie allesamt auf unbestimmte Zeit verzögern. Der Stadtbezirk trage, unter anderem mit Asylunterkünften, erhebliche Lasten zur Deckung "viertelfremder Bedarfe", findet Baumgärtner und greift zum Kraftausdruck, wenn er beschreibt, was offenbar speziell die Untergiesinger den Stadtoberen wert seien.

"Wut und Zorn" verspürt auch Michael Sporrer, der SPD-Fraktionssprecher, beim Gedanken daran, wie schnell die Stadt den widersinnigen Parkplatz-Bebauungsplan für einen Konzertsaal kassieren könnte. Ein "elitäres" Provisorium brauche das Viertel jedenfalls nicht, findet Sporrer und empfiehlt, den Messestädter Standort genauer zu prüfen. Eher mezzoforte als fortissimo kommt die Kritik bei Wolfgang Geißelbrecht daher, dem Grünen-Fraktionssprecher. Er ist von der Idee ebenso überrascht wie seine Kollegen. Man müsse da schon abwägen, es gebe halt nicht mehr viele zentrumsnahe und zugleich perfekt per U-Bahn erschlossene Brachen, findet Geißelbrecht. Natürlich fände er es überaus "schade, wenn sich die Zwischennutzung vor die definitive Planung schieben würde". Einer Standortentscheidung näher kommen dürfte der Stadtrat am 29. März, wenn er über die Gasteig-Sanierung berät.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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