Konzertsaal-Debatte:"Dümmste Lösung"

Schmuckbilder München Vol.01

Reif für den Abriss? Die Philharmonie am Gasteig muss nach 30 Jahren saniert werden. Die Staatsregierung würde sie gerne neu errichten.

(Foto: Veronica Laber)
  • Horst Seehofers neue Überlegungen für den Abriss und Neubau des Kulturzentrums am Gasteig rufen harsche Kritik hervor.
  • Münchens Stadtheimatpfleger Gert Goergens etwa warnt vor einem "folgenschweren Fehler". Während der Abriss- und Neubauzeit werde es zu einem Niedergang der "Weltmusikstadt" kommen.
  • Die Reaktionen aus der Politik sind geteilt - selbst innerhalb der Parteien gibt es unterschiedliche Meinungen.

Von Christian Krügel

Die Überlegung der Staatsregierung, das Kulturzentrum am Gasteig radikal umzubauen und dafür auf den Neubau eines weiteren Konzerthauses zu verzichten, stoßen auf heftige Ablehnung - im Landtag wie in der Stadt. So sprechen die Freien Wähler von einer "planerischen Bankrotterklärung" und einem "unabsehbaren Kostenrisiko", Grünen-Politiker Sepp Dürr von der "dümmsten Lösung". Und Münchens Stadtheimatpfleger Gert Goergens warnt in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) vor einem "folgenschweren Fehler", der München "zur musikalischen Provinz verarmen" lassen könnte.

An diesem Montag wird sich Reiter mit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) treffen, um das weitere Vorgehen in der Konzertsaalfrage festzulegen. Nach Informationen der SZ setzt Seehofer darauf, dass Staat und Stadt gemeinsam die heutige Philharmonie am Gasteig grundlegend sanieren oder gleich komplett neu bauen.

Die Pläne für ein Konzerthaus am Finanzgarten wären dann vom Tisch, obwohl erst im November eine vom Kunstministerium eingesetzte Arbeitsgruppe das als die beste Lösung empfohlen hatte. Es gäbe weiterhin nicht mehr Spielorte und Sitzplatzkapazitäten für klassische Musik, im Gegenteil: Eine neue Philharmonie am Gasteig würde wohl mit weniger als den heutigen 2400 Sitzplätzen konzipiert.

Stadtheimatpflege Gert Goergens macht diese Idee deshalb "ratlos und wütend", wie es in seinem Schreiben an den OB heißt. Während der Abriss- und Neubauzeit, für die Fachleute drei bis fünf Jahre veranschlagen, werde es zu einem Niedergang der "Weltmusikstadt" kommen. "Das dürfen Sie dem Münchener Kulturleben nicht antun", schreibt Goergens an Reiter.

Die Reaktionen aus der Politik sind geteilt - auch in den Parteien. Florian Roth, Grünen-Fraktionschef im Münchner Stadtrat, begrüßt Seehofers Pläne ("keinen weiteren Saal, den man quantitativ nicht braucht, sondern eine instand gesetzte Philharmonie im Gasteig für beide Orchester"). Sein Parteifreund Sepp Dürr, kulturpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, kommentiert dagegen auf Twitter: "Die dümmste Lösung ist in Bayern die wahrscheinlichste".

Michael Piazolo, Abgeordneter der Freien Wähler und Vorsitzender im Kulturausschuss des Landtags, warnt entschieden vor radikalen Gasteig-Plänen: "Abriss und Neubau bedeuten ein heute noch unabsehbares Kostenrisiko." Interne Schätzungen der Stadt beziffern die Kosten für einen Neubau der Philharmonie plus einer Gesamtsanierung des Kulturzentrums auf mehr als 400 Millionen Euro. Aber auch nach der Fertigstellung eines "Gasteig-Reloaded" sei nicht ersichtlich, wo die vielen privat finanzierten und organisierten Konzertveranstaltungen unterkommen sollten, so Piazolo. "Bei einem solchen Scheinkompromiss verlieren beinahe alle: Fans der klassischen Musik in München sowie private Konzertveranstalter, die Spitzenorchester und nicht zuletzt auch der Steuerzahler, sagt Piazolo. Ein Neubau im Finanzgarten sei für ihn noch nicht vom Tisch. Dies berge viele reizvolle Chancen - auch städteplanerisch.

Der Landtag wird sich am Mittwoch mit dem Thema befassen. Dann muss Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU) eine Anfrage der Grünen zur Konzertsaaldebatte beantworten - und wohl viele Fragen zu den Gesprächen zwischen Seehofer und Reiter.

Unklar ist, wie sich die CSU-Landtagsabgeordneten dazu verhalten werden. In der Fraktion hatte es zuletzt Stimmen gegeben, die den Neubau eines Konzerthauses auf staatliche Kosten infrage stellten. Seehofer hatte bis zu 200 Millionen Euro aus dem Staatsetat für das Projekt in Aussicht gestellt. Besonders Abgeordneten aus ländlichen Region missfalle, wie viel Geld für ein Großprojekt im ohnehin privilegierten München ausgegeben werden solle. Der Ministerpräsident könne daher nicht mit der vollen Zustimmung der Fraktion rechnen, heißt es im Landtag.

Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, wirbt für einen Neubau. Das Symphonieorchester seines Hauses leidet derzeit am meisten unter den beengten Verhältnissen am Gasteig und wäre Hauptnutzer eines neuen Hauses am Finanzgarten. "Es reicht nicht aus, die Philharmonie zu sanieren oder an selber Stelle neu zu bauen, denn was wir brauchen, ist mehr Kapazität", sagte Wilhelm der Augsburger Allgemeinen. Seit 1953 sei "in München kein einziger weiterer Sitzplatz in einem Konzertsaal für große Orchestermusik" dazu gekommen, obwohl der Großraum stark gewachsen sei. Es gehe jetzt darum, "die kulturelle Strahlkraft Münchens" zu bewahren.

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