Konzertkritik: Justin Timberlake:Der größte Streber des Pop

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Magier an der Maschine: Hebebühnenguru Justin Timberlake bringt mit poppiger Leichtigkeit die Olympiahalle zum Beben. Wenn es in diesem Business um Musik gehen würde, wäre Produzent Timbaland der Star des Abends gewesen.

Klaus Raab

Es gibt zwei Maschinen, die im Mittelpunkt stehen bei Justin Timberlakes Konzert: die Hebebühne und - Justin Timberlake. Was die Hebebühne betrifft: Es gibt eine in der Mitte der Olympiahalle postierte futuristische, eckig-runde Konstruktion, die Assoziationen von Laufsteg, Segelschiff und einer durchbohrten Milz freisetzt.

Und in ihrem Zentrum befindet sich ein auf- und niederfahrbares Rundelement, groß genug für acht Tänzer und ein Klavier. Durch dieses Loch erscheint und verschwindet Timberlake während seiner Show; ein technisch aufwändiger, aber billiger Trick, der so pflichtschuldig von allen Superstars angewandt wird, als stünde in einem Handbuchbestseller: "Sie sind Star? Bewegen Sie sich mittels einer Hebebühne fort!"

Mit dem Holzhammer

Aber, okay: Es hat etwas Magisches. Was die andere Maschine angeht, Justin Timberlake: Er trifft jeden Ton; er vertanzt sich nicht; er hat einige Songs im Repertoire, die sich gegenseitig den Rang des perfekten Popsongs streitig machen - wie "What Goes Around...Comes Around", "My Love" und auch "Future Sex/Love Sounds", das Titelstück seines aktuellen Albums, mit dem er die Show beginnt. Die bunten Lichter und 13000 Menschen in der ausverkauften Halle künden von einem Großereignis. Und Timberlake, im grauen Dreiteiler, tritt auch so auf. Im Konzertjargon: Er lässt die Halle beben.

Er bewegt sich wie der frühe Michael Jackson, er singt wie Prince. Und wirkt dabei, 26-jährig, wie er nun einmal ist, wie ein Spring-ins-Feld, der sich aber, statt beim Springen einfach mal zu fliegen, schon im Absprung auf die Landung vorbereitet. Jeder Schritt ist geplant, jeder Ton sowieso - wenn auch die Tonqualität in der Olympiahalle von ausnehmender Grässlichkeit ist.

Die Lichtsetzung und Bildauswahl - da wäre zum Beispiel das Bild einer sprießenden Blume, das während einer Ballade gezeigt wird - sorgen dafür, dass die durch die Musik erzeugte Stimmung noch einmal mit dem Holzhammer unterstrichen wird. Und Timberlake versprüht bei alldem den professionellen Charme eines Telefonservicecentermitarbeiters. Nett zu jedermann, nicht aus der Ruhe zu bringen, aber man hat das Gefühl: Wenn der Job es verlangte, wäre er auch freundlich zu einer Biomülltonne. Justin Timberlake wirkt wie der größte Streber des Pop.

Liga der außergewöhnlichen Gentlemen

Aber, okay: Er hat etwas Magisches. Denn er ist natürlich auch der lässigste Streber von allen. Timberlake ist, sein Konzert beweist es, der derzeit wohl einzige Musiker, an dem ein Umhängeklavier weder saublöd noch wie eine nur ironisch zu verstehende Geste aussieht; er erinnert zwar an Michael Jackson, bringt aber vor allem auch eine bewundernswerte eigene Geschmeidigkeit mit; und er hat die Platte gemacht, die viele gerne gemacht hätten: die mit einer eigenen Note auf Funk-, Soul- und R'n'B-Basis.

Drei Sets beinhaltet Timberlakes 140-minütige Show, auf deren Höhepunkt gegen Ende die Halle wie aus einem Mund den Hit "Cry Me A River" singt. Und das mittlere Set - ein Hip-Hop-lastiges - wird dabei von Timbaland gestaltet, dem Produzenten, der der Star wäre, wenn es nur um Musik ginge. Geht es aber nicht. Es geht um ein Gesamtkunstwerk. Superstars dieser Größenordnung sind eigentlich Ensembles, ihre Konzerte Ensembleleistungen.

Timberlakes Verdienst ist es, die Leistung eines riesigen Teams aus Tänzern und Musikern als in erster Linie seine zu verkaufen. Dass am Ende, bei der Verbeugungstour des Teams, der äußere Eindruck entsteht, es handle sich um eine C&A-Modenschau, bei der allein Timberlake in der Liga der außergewöhnlichen Gentlemen spiele - das zeigt, wie er das hinkriegt: Er ist der unter vielen, der keiner von vielen ist.

© SZ v. 29.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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