Konzert in München:Muse liefern den audiovisuellen Overkill

Konzert in München: Muse spielen in der Olympiahalle - ein audiovisueller Overkill

Muse spielen in der Olympiahalle - ein audiovisueller Overkill

(Foto: Stefan M. Prager)

Diese Band ist nicht nur ein bisschen größenwahnsinnig, sie ist komplett irre. Allerdings im positivsten Sinne, wie Muse in der Olympiahalle beweisen.

Von Bernhard Blöchl

Zunächst ist da ein Grollen, ein Chor kündigt Unheil an, dann bricht der Wahnsinn aus. Fünf menschengroße Kugeln setzen sich in Bewegung, die aussehen wie die Besucherkapseln im Film "Jurassic World". Ferngesteuert schweben sie über die Arena, Lichtkegel schießen in alle Richtungen, sogar der E-Bass hat ein paar Lämpchen verpasst bekommen. Die Zuschauer sind freudig angespannt, die Show beginnt - und mit ihr der Bombast, der bei dieser Band längst Programm ist. Quer durch die Olympiahalle zickzackt sich das Bühnenmonster, in der Mitte ein drehbares Podest, an den Seiten zwei Stege mit weiteren Plattformen. Jeder Besucher sieht etwas, von jedem Steh- oder Sitzplatz. Jeder ist mittendrin in diesem Ereignis, das mehr ist als ein Rockkonzert. "Drones" heißt die Tour zum siebten Album, "Drones" ist der audiovisuelle Overkill.

Muse sind nicht nur ein bisschen größenwahnsinnig, sie sind komplett irre. Im positiven Sinn. Schon früh in ihrer 1994 beginnenden Bandgeschichte wollten der Oberperfektionist Matt Bellamy und seine Jugendfreunde Chris Wolstenholme und Dominic Howard die größte Band der Welt werden. Das Trio aus Teignmouth in Devon, das inzwischen mehr als 15 Millionen Alben verkauft hat und ganze Stadien in Ekstase versetzt, hat sich zum rockmusikalischen Zampano der Nullerjahre entwickelt. Progrock? Artrock? Hardrock? Von allem etwas und noch viel mehr. Muse vereinen den Pathos von Queen, die Leidenschaft der Pixies, die Raffinesse von Radiohead. Möglicherweise fehlt ihnen die Lässigkeit der Stones, aber der Rockgott hatte definitiv einen seiner besten Tage, falls er je die Finger im Spiel hatte.

München scheint den Briten besonders am Herzen zu liegen, sie waren oft hier in all den Jahren. Sie haben im Atomic Café gespielt und im Babylon, mehrmals im Zenith und in der Olympiahalle. Im vergangenen Jahr waren sie Headliner beim neuen "Rockavaria"-Festival, da präsentierten Muse im Olympiastadion einen Vorgeschmack auf jenes Konzert, für das an diesem ersten schönen Frühlingsabend Tausende Schlange standen.

Das Warten hat sich gelohnt: Knapp zwei Stunden dauert das ohrenbetäubende Vergnügen, eine Rockshow ohne Durchhänger, dafür mit Videoprojektionen auf Stoffbahnen, konfettigeladenen Riesenbällen und gefeierten Zugaben. Selten wurde die Olympiahalle in all ihrer Länge und Breite besser genutzt als hier. Muse sind überall, Muse lullen ein, Muse überzeugen.

Die zugehörige CD ist kürzlich mit einem Grammy als bestes Rockalbum dekoriert worden, und so gibt es auch live weniger Elektro, weniger Irrwege, weniger Popstargegockel als zuletzt. Zurück zu den dröhnenden Ursprüngen einer wütenden jungen Band aus England. Mit "Psycho", "Reapers", "Dead Inside" und "The Handler" prägen neue Songs den Auftakt. Die stumpfe Thematik menschlicher Tötungsmaschinen und Manipulation durch Kriegstreiber wird durch optische Effekte hervorgehoben: Auf dem riesigen Videoring über der Zentralbühne gibt der "Drill Sergeant" den großen Macker. Mit "The Globalist" und "Mercy" werden später weitere Stücke vom "Drones"-Album durch die Boxenflächen gedrückt.

Das ist das Besondere bei Muse-Konzerten: Bellamy, das Genie der Band an Gitarre, Mikro und Klavier, liebt es, seine zuweilen komplexen Songs auf der Bühne zu variieren. Immer wieder gibt es veränderte Soli und Übergänge, die selbst Fans überraschen. Auch die Dramaturgie des Konzeptalbums wird gebrochen: Weder halten sich Muse an die Reihenfolge der Stücke, die bekanntlich eine fortlaufende Story erzählt, noch spielen sie alle Songs von "Drones".

Stattdessen ist das Set mit den Hits aus der Vergangenheit gespickt, darunter "Plug In Baby", "Supermassive Black Hole", "Starlight" und "Stockholm Syndrome". Matt Bellamy ist ein Brückenbauer. Seit jeher stellt er musikalische und thematische Verbindungen zwischen den Songs verschiedener Album her. Nur bei den Live-Sets kann er die Brücken nutzen und aus dem Vollen schöpfen.

Kritik gab es zuletzt auch. Die zuweilen törichten Texte aus der Verschwörungsschublade, die plumpen Botschaften und Verkürzungen im Zusammenhang mit der aktuellen Dronen-Problematik, sind ziemlich ärgerlich. Live spielt das keine Rolle. Wer so eine Show abzieht, wer so einen druckvollen wie präzisen Sound in die Olympiahalle bringt, wer so überzeugend seine Instrumente beherrscht und singt, der kann sowieso von sich geben, was er will. Also fast.

Am Ende gibt es kein Grollen. Nur strahlende Gesichter. Und die Erkenntnis, gerade etwas Aufregendes hautnah erlebt zu haben: eines der besten München-Gastspiele dieser großen Band.

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