Konzert auf dem Tollwood:Haindling macht den Moonwalk

Das Publikum tobt, so wie man es bei einem Konzert selten erlebt: 30 Jahre gibt es Haindling bereits, doch bei ihrem Auftritt auf dem Tollwood strotzt die bayerische Band vor Energie und Ausdruckskraft.

Michael Neißendorfer

Das Konzert beginnt überpünktlich. Hans-Jürgen Buchner ist sofort sehr präsent, wirft Kusshände ins Publikum und blickt suchend umher, als halte er nach alten Bekannten Ausschau - die er auch findet und artig grüßt. Die Haindling-Familie ist wieder unterwegs.

Konzert auf dem Tollwood: 30 Jahre gibt es Haindling bereits. Das Bild zeigt die Band bei einem früheren Auftritt.

30 Jahre gibt es Haindling bereits. Das Bild zeigt die Band bei einem früheren Auftritt.

(Foto: WOR)

Buchner war 38, als er sein erstes Album produzierte. Allein. Die Liveband legte er sich nur zu, weil ihm seine Plattenfirma dazu geraten hatte. Per Zeitungsinserat fand er einige Musiker, zwei davon stehen immer noch mit ihm auf der Bühne. Dieses Jahr feiert er sein 30-jähriges Bandjubiläum - und das merkt man an diesem Montagabend auf dem Tollwood auch dem Durchschnittsalter des Publikums an.

Die ersten Songs sind eher ein gemütlich-gefühlvolles Aufwärmprogramm, und Buchner stellt bald fest, wie alt er, die Band und auch das Publikum geworden sind. "Wenn ich Euch so anschau: vor 30 Jahren sind wir alle noch gestanden", sagt er und sorgt damit für große Erheiterung im bestuhlten Konzertzelt. Gleich darauf stimmt er "Telefon" an, eine Ode an den Müßiggang.

Für die nächsten Lacher im Publikum und auch auf unseren Sitzen sorgt die bayerische Ska-Reggae-Nummer "Er hod grauchd". Richtig laut wird es bei "Du Depp", einem der ersten großen Hits des nimmermüden Niederbayern. Dass in der Band nur Multiinstrumentalisten spielen, ist bekannt, doch Bassist Wolfgang Gleixner setzt noch einen drauf und gibt den Polyinstrumentalisten: Er spielt Bassgitarre und Tuba gleichzeitig, angefeuert von Buchner und dem Publikum.

Buchner hat ein hervorragendes Händchen für Stimmungsbögen. Der kleinen Party zwischendurch folgen wieder ruhigere Nummern. Und er schafft es innerhalb weniger Minuten, dass das ganze Zelt beinahe akzentfrei ein ,tutto di tanto di tutti di frutti di latte' mitsingt. Woanders habe das nicht so gut geklappt, stellt er fest, aber "des is hoid Minga, a Vorort vo Italien." Dazu wird geschunkelt, obwohl Buchner, wie er selbst sagt, Schunkeln "beschissen" findet.

Bierzeltgaudi statt Musikantenstadl

Dann kommen die Minuten, die wohl bei den meisten Konzertbesuchern noch lange nachklingen werden. Die Band setzt zu einem Medley an: Disko und Blasmusik, es kracht, es scheppert. Manche verlassen jetzt ihre Stühle, tanzen vor der Bühne, auf den Gängen. "Koa Zeit" spielt die Band, dann "Spinn I". Zum Höhepunkt hallt der Basslauf von Billie Jean durchs Zelt und Buchner macht den Moonwalk quer über die Bühne. Das Zelt tobt. So, wie man es bei Konzerten selten erlebt.

Die nächsten Songs werden wieder ruhiger, doch Buchner scheint die kleine Pause eher seinem Publikum zu gönnen, als sich selbst. Er schafft es an diesem Abend, Tümelei elegant zu umkurven, schrammt dabei manchmal haarscharf am Kitsch vorbei. Doch wenn dann eine zwölffüßige Trachtengruppe aus dem Isargau auf die Bühne kommt, und die Band unter lautem Beifall "350.000 Kubikmeter Beton - Jawoll" ins Publikum schreit, hat das mehr von einer feuchtfröhlichen Bierzeltgaudi als von einem Musikantenstadl.

Und genau da ist sie zu spüren, diese Energie und Ausdruckskraft, die Haindling 30 Jahre lang immer wieder unter Beweis gestellt und sie zu einer der erfolgreichsten und bekanntesten bayrischen Band gemacht hat. Buchner sieht man diese Jahre überhaupt nicht an, im Gegenteil. Ständig grinst er ins Publikum, als wäre es sein erster Auftritt, er tanzt etwas unbeholfen wie ein Fünfjähriger über die Bühne und grinst noch mehr, sobald er sieht, wie das Publikum mitgeht.

Gegen Ende des Konzerts hat es Haindling geschafft: Jetzt wirkt der Abend auf dem Tollwood endgültig wie eine große Familienfeier. Buchner feiert seine Band, das Publikum feiert Haindling, Haindling feiert das Publikum, alle gemeinsam feiern seine Musik. Ganz am Schluss, zu "Lang schon nimmer g'sehn", kommt dann auch noch - die Familie will schließlich komplett sein - Buchners Frau Ulli mit auf die Bühne, um mit ihm dieses letzte Lied des Abends zu singen. Mit ihm und einem kompletten Tollwood-Zelt.

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