Kontrollen der Impfpässe:Viele Kinder sind nicht ausreichend geimpft

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Die meisten Kinder in Bayern haben Impfungen erhalten - aber längst nicht alle sind gegen jede ansteckende Krankheit geimpft. (Foto: dpa)
  • In München sind weniger als 95 Prozent der Kinder gegen Keuchhusten, Kinderlähmung, Hepatitis B, Masern, Mumps und Röteln geimpft.
  • Die Eltern entscheiden darüber, ob ihre Kinder geimpft werden.
  • Experten raten, mit dem Kinderarzt über die Notwendigkeit und Risiken von Impfungen aufklären zu lassen.

Von Inga Rahmsdorf

Die Münchner sind nicht ausreichend geimpft. Davor warnt zumindest die städtische Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs. Sie bezieht sich dabei auf das Ergebnis einer Kontrolle der Impfpässe von Schülern der sechsten Klasse. Demnach sind in München weniger als 95 Prozent der Kinder gegen Keuchhusten, Kinderlähmung, Hepatitis B, Masern, Mumps und Röteln geimpft. Jacobs hat daher zum Auftakt der bayerischen Impfwoche die Bevölkerung aufgerufen, ihren Impfstatus zu überprüfen und sich beraten zu lassen: "Eine Impfung bedeutet nur einen kleinen Piks, der die Gesundheit und sogar Leben retten kann."

Am Montag eröffnete die Bayerische Landesarbeitsgemeinschaft Impfen (Lagi) mit dem bayerischen Gesundheitsministerium die Impfwoche und warb mit einem Beratungszelt in der Münchner Innenstadt für das Thema. "Es geht nicht nur um den Selbstschutz, sondern es geht auch um das Allgemeinwohl. Vor allem müssen sehr kleine Kinder geschützt werden, die noch nicht geimpft werden können", sagte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU).

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Ob Eltern ihre Kinder impfen lassen, entscheiden sie selbst, denn in Deutschland gibt es keine Impfpflicht. Daher ist es auch schwierig, flächendeckende Zahlen zu ermitteln. In bayerischen Schulen werden allerdings in der sechsten Klasse die Impfbücher kontrolliert. Die aktuellsten Daten stammen aus dem Schuljahr 2013/2014. Dabei konnten in München 76 Prozent der Impfpässe kontrolliert werden.

Ihre Auswertung zeigt, dass etwa 90 Prozent der Kinder gegen Keuchhusten, Kinderlähmung, Masern, Mumps und Röteln geimpft sind, und gegen Hepatitis B knapp 76 Prozent. Die Ständige Impfkommission, die in Deutschland Empfehlungen ausspricht, geht davon aus, dass eine Bevölkerung nur dann wirksam geschützt ist, wenn etwa 95 Prozent der Menschen geimpft sind. In München ist diese Quote nur bei Tetanus erfüllt und zumindest annähernd bei Diphtherie mit 94,8 Prozent.

Mehr Beratung ist für Eltern wichtig

Ob und wann Impfungen sinnvoll sind, ist allerdings auch umstritten. Es dürfe nicht nur darum gehen, eine hohe Durchimpfungsrate zu erreichen, warnt beispielsweise der Münchner Kinderarzt Martin Hirte. Er wünsche sich mehr Differenzierung und Individualisierung bei dem Thema. Hirte fordert, Eltern zu ermöglichen, dass sie verantwortungsvoll eine eigene Entscheidung fällen können. Dafür sei es wichtig, dass sie gut informiert werden. Er weist aber auch darauf hin, dass Mediziner oft in der Zwickmühle seien. So erhalte ein Kinderarzt für eine Impfberatung allein keine Vergütung. Kritiker warnen zudem vor den Nebenwirkungen und davor, dass Risiken nicht ausreichend untersucht oder kommuniziert werden.

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Impfbefürworter dagegen betonen, dass es auch um eine Verantwortung für alle gehe. So warnt das RGU davor, dass beispielsweise Keuchhusten vor allem für junge Säuglinge ohne Impfschutz gefährlich sein kann, und sie auch von Erwachsenen angesteckt werden könnten. Deswegen sollten auch Erwachsene ihren Impfstatus überprüfen.

Das Gesundheitsreferat bietet Münchnern täglich von 11 bis 12 Uhr eine telefonische Beratung rund um das Thema Impfen an (089/ 23 36 69 07) und berät dazu auch verstärkt Flüchtlinge in Münchner Unterkünften.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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