Konjunkturförderung:Der Fluch der fetten Jahre

Mehr geben, als nehmen: Warum München beim staatlichen Investitionspaket unterm Strich viel Geld verlieren wird.

Sven Loerzer

Was der Staat mit einer Hand gibt, nimmt die andere gleich doppelt: Bestenfalls insgesamt 120 Millionen Euro zusätzlich für Investitionen könnte das Konjunkturpaket München bis 2011 bringen. Im gleichen Zeitraum aber wird die Stadt nach Prognosen der Kämmerei durch steuerrechtliche Änderungen insgesamt 295 Millionen Euro an Steuereinnahmen verlieren.

Konjunkturförderung: Kräne auf der Münchner Baumesse: Die Stadt braucht mehr Investitionen, aber das Konjunkturpaket wird ihr insgesamt wenig helfen.

Kräne auf der Münchner Baumesse: Die Stadt braucht mehr Investitionen, aber das Konjunkturpaket wird ihr insgesamt wenig helfen.

(Foto: Foto: ddp)

Zehn Milliarden Euro will der Bund für Investitionen der Kommunen in Bildungseinrichtungen und Infrastruktur ausgeben. Am heutigen Dienstag berät das Kabinett darüber, wie der Freistaat seinen Anteil am Konjunkturpaket verteilt. Zwar hat Stadtkämmerer Ernst Wolowicz schon mal ausgerechnet, wie viel Geld München erwarten könnte. Das Ergebnis bereitet ihm aber wenig Freude.

Erste Variante: Der Freistaat macht die Verteilung des Geldes ausschließlich von der Einwohnerzahl der Kommunen abhängig: Dann könnte die Stadt drei Jahre lang jeweils 40 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket erhalten - "bestenfalls", wie Wolowicz betont.

Zweite und wahrscheinlichere Variante: Das Land würde strukturschwache Gemeinden günstiger stellen als starke Wirtschaftsstandorte wie München. Realistisch sind demnach wohl eher 20 bis 30 Millionen Euro pro Jahr für die Landeshauptstadt. Im Vergleich zum ohnehin vorgesehenen städtischen Investionsvolumen nimmt sich der Betrag bescheiden aus: "Wir haben im Haushalt Investitionen jeweils in Höhe von 650 Millionen Euro jährlich in den nächsten drei Jahren vorgesehen", sagt Wolowicz. Fazit: Die Stadt erhält innerhalb dieser Zeit maximal 120 Millionen Euro zusätzlich.

So viel zum Geld, das die staatliche Hand geben will. Sie wird aber, was München betrifft, auch Geld nehmen - unterm Strich keine günstige Rechnung für die Stadt, fürchtet der Kämmerer als Herr der Kassen. Die Beschlüsse der Bundesregierung zum Konjunkturpaket zeitigten "bereits jetzt weitreichende negative finanzielle Auswirkungen", nämlich geringere Einnahmen bei Gewerbe- und Einkommensteuer durch Erleichterungen für die Unternehmen.

Zusammen mit den Folgen des Urteils zur Pendlerpauschale und der geplanten Abzugsfähigkeit der Krankenversicherung von der Einkommensteuer schmälert das die Steuereinnahmen der Stadt um 295 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren. Macht unterm Strich trotz Konjunkturpaket ein Minus von 175 Millionen Euro.

Geld gebrauchen kann die Stadt auf jeden Fall. Für die energetische Sanierung allein bei Schulen und Betreuungseinrichtungen in München hat das Schulreferat bereits einen Bedarf von 170 bis 210 Millionen Euro angegeben. "Wir werden kein Problem haben, unser Kontingent auszuschöpfen", da ist sich Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) bereits sicher, der zusammen mit seinem Kämmerer zu der Pressekonferenz geladen hatte.

Aber wann wird das Geld kommen? Wolowicz befürchtet, dass es noch lange dauert. Denn die Staatsregierung will nicht wie Nordrhein-Westfalen Pauschalbeträge nach einem festen Schlüssel auf alle Kommunen verteilen, sondern erwarte für jedes Projekt einen Investitionsantrag, über den eigene Vergabegremien bei den Bezirksregierungen entscheiden sollen: "Eine schreckliche Situation", kommentiert der Kämmerer, zumal Tausende von Anträgen aus den mehr als 2000 bayerischen Gemeinden zu erwarten seien. "Die armen Bezirksregierungen haben dafür doch gar kein Personal." So sei damit zu rechnen, dass die Kommunen frühestens am Jahresende erfahren, ob und wie viel Geld sie erhalten.

"Es ist grotesk, dass ausgerechnet Bayern, das europaweit als Lehrmeister der Entbürokratisierungen auftritt, sich für das bürokratischste Verfahren entschieden hat", kritisiert Ude. Er hat deshalb in einem offenen Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer gefordert, ein schnelles Verfahren nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens zu wählen, damit "die Aufträge für die Handwerker im März rausgehen können".

Beim Konjunkturpaket drohen weitere Unwägbarkeiten: Nach dem Entwurf der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern könnte der Bund seine Finanzhilfen vom Land zurückfordern, wenn die Investitionen der schwierigen Jahre 2009 bis 2011 nicht höher sind als in den Jahren 2006 bis 2008. "Das aber waren gute, manche sagen auch fette Jahre", meint Ude. Die Regelung müsse gestrichen werden, denn sonst könnte sie bedeuten, dass die Kommunen die Zuschüsse wie Kredite zurückbezahlen müssten.

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