Konflikt um Meiserstraße eskaliert:Landesbischof droht Stadt mit Klage

Der Streit zwischen dem Landesbischof und dem Stadtrat, die Meiserstraße umzubenennen, spitzt sich zu. OB Ude zeigt kein Verständnis für den Kirchenvertreter.

Joachim Käppner und Monika Maier-Albang

Er war ein Bischof, der seine Kirche gegen die Nazis verteidigte, er war aber auch ein Antisemit, der Hilfe für verfolgte Juden ablehnte. Der Stadtrat will die nach Hans Meiser (1881 bis 1956) benannte Straße daher umbenennen. Landesbischof Johannes Friedrich, dessen Amtssitz dort liegt, kündigt Widerstand bis zu einer Klage an.

Friedrich sagte der Süddeutschen Zeitung, eine Umbenennung der Straße "würden viele Protestanten als eine totale Ablehnung der Person Hans Meisers empfinden". Nach den städtischen Kriterien selbst gebe es keinen ausreichenden Grund, dessen Namen zu tilgen. Friedrich warf dem Stadtrat "political correctness" auf Kosten der evangelischen Kirche vor und drohte mit einer Klage: Diese werde gerade juristisch geprüft, "und wir würden das nicht tun, wenn wir es nicht für eine realistische Möglichkeit hielten". Nach langen Debatten will der Stadtrat am 18. Juli über den Straßennamen entscheiden, eine Mehrheit für die Umbenennung gilt als sicher.

Kompromisse oder Kollaboration?

Meiser war während der NS-Zeit Landesbischof. 1934 verteidigte er die evangelische Landeskirche gegen das Regime und gegen Übernahmeversuche der nazitreuen "Deutschen Christen", zeitweilig stand er unter Hausarrest; in der heutigen Meiserstraße demonstrierten Gläubige sogar für ihn.

Er unterstützte die Fluchthilfe für getaufte Juden. Andererseits hatte er schon 1926 antisemitische Schriften veröffentlicht: Der "jüdische Geist" habe etwas "Zerfressendes, Ätzendes". Nach 1933 lehnte er Bitten aus der eigenen Kirche ab, für die verfolgten Juden einzutreten. Umso engagierter setzte er sich nach 1945 für in Landsberg inhaftierte deutsche Kriegsverbrecher ein.

In Teilen seiner Kirche wird Meiser noch immer sehr verehrt. Erst vor einigen Jahren begann eine innerkirchliche Debatte darüber, ob die Kompromisse, die er zur Bewahrung der Einheit seiner Kirche mit dem Regime eingegangen war, nicht in Kollaboration umgeschlagen seien. In der Folge entzog die evangelische Hochschule in Neuendettelsau ihrem "Meiser-Haus" den Namen. Zu Jahresbeginn wurde die Bischof-Meiser-Straße in Nürnberg umgetauft, dann erreichte die Diskussion München.

"Unverständliches Verhalten"

Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), selbst Protestant, reagierte erstmals in scharfer Form auf die kirchliche Kritik am Plan der rot-grünen Stadtratsmehrheit, die Meiserstraße umzubenennen: "Die Landeskirche tut sich damit überhaupt keinen Gefallen. Ihre Vorgehensweise kann man nur als extrem unglücklich bezeichnen." Schließlich hätten Teile der Kirche die Debatte über die historischen Verfehlungen Meisers selber aufgebracht; von der Landeskirche habe man aber nur "laut vernehmliches Schweigen" gehört.

Nun aber, wo der Amtssitz der Kirche selbst betroffen sei, verteidige sie den Namen plötzlich. Ude weiter: "Mir ist es unverständlich, dass ausgerechnet München als frühere nationalsozialistische ,Hauptstadt der Bewegung' bei der Bewertung von antisemitischer Hetze großzügigere Maßstäbe anlegen soll als Nürnberg oder Neuendettelsau." Meisers Verhalten sei, bei allen Verdiensten für die Kirche, bezeichnend "für das Versagen der deutschen Eliten während der NS-Diktatur". Ude wies darauf hin, dass auch das geplante Münchner NS-Dokumentationszentrum in der Meiserstraße liegen würde.

Landesbischof Friedrich hatte sich im Mai schriftlich an den Stadtrat gewandt und zuletzt im Gespräch mit dem SPD-Fraktionsvorstand versucht, diesen umzustimmen. "Es gibt aber keine neuen Argumente, die uns überzeugen", sagt die Vize-Fraktionschefin Constanze Lindner-Schädlich. Betont zurückgehalten hat sich in der Debatte die Israelitische Kultusgemeinde. Deren Vorsitzende Charlotte Knobloch bezeichnete Meiser zwar als "massiven Antisemiten". Knobloch wollte aber keine Empfehlung abgeben, da es sich hier um eine Entscheidung der Stadt handle.

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