Kommunalwahl in München:Rot-Grün muss um Mehrheit bangen

Kommunalwahlen Bayern

Oberbürgermeisterkandidat Dieter Reiter muss in die Stichwahl

(Foto: dpa)

Die SPD verliert bei den Stadtratswahlen in München deutlich, die Grünen können trotz eigener Gewinne die Verluste nicht kompensieren. Ob sie für die Stichwahl eine Wahlempfehlung für OB-Kandidat Dieter Reiter aussprechen, wollen sie erst noch entscheiden.

Von Dominik Hutter, Silke Lode und Kassian Stroh

Die Mehrheitsverhältnisse im Rathaus waren bislang eindeutig - doch ob das auch die kommenden sechs Jahre so bleiben wird, war die spannende Frage am Sonntagabend. Nach den ersten Ergebnissen war unklar, ob die Rathauskoalition fortgeführt werden könnte: Demnach hätte Rot-Grün nur 38 von 80 Sitzen.

Denn die SPD kam bei der Stadtratswahl auf nur 31,4 Prozent der Stimmen - ein Minus von mehr als acht Punkten. Das wäre das schlechteste Ergebnis bei einer Stadtratswahl seit 1948. Die Grünen legten auf 15,3 Prozent zu (plus 2,3), kompensierten damit aber nicht die Verluste ihres Koalitionspartners. Sie kooperieren mit der Rosa Liste (1,6 Prozent), die mit einem Sitz weiter im Stadtrat vertreten sein dürfte.

Diese Ergebnisse sind jedoch nur mit Vorsicht zu genießen: Sie beruhen auf der Auszählung der Stimmen in allen 1022 Wahllokalen; allerdings wurden dort nur die unveränderten Stimmzettel ausgewertet, nicht aber diejenigen, auf denen Wähler Kandidaten verschiedener Listen angekreuzt haben. Politiker von SPD und Grünen gaben sich am Abend optimistisch, im Lauf der Auszählung noch zulegen zu können. Dies sei auch vor sechs Jahren so gewesen. Das endgültige Ergebnis soll erst am Montagabend vorliegen.

Die CSU könnte gleichwohl stärkste Fraktion im Stadtrat werden, sie stand am Abend bei 35,2 Prozent, was 28 Sitze bedeuten würde. Für ein schwarz-grünes Bündnis würde das nur reichen, wenn die Rosa Liste mit dabei wäre; dann käme diese Konstellation auf 41 Sitze. Spekulationen über eine Koalition mit der CSU wies Grünen-Stadtchefin Katharina Schulze indes relativ eindeutig zurück: Dies wolle in ihrer Partei "wirklich so gut wie niemand".

Dass die Entscheidung über den neuen Oberbürgermeister in einer Stichwahl fallen wird, war erwartet worden. Hier hat nun Dieter Reiter (SPD) die besten Karten. Er kam auf 40,5 Prozent der Stimmen und sagte, er habe "große Hoffnungen", in 14 Tagen zum OB gewählt zu werden. Mit seinem Ergebnis sei er "sehr zufrieden".

Schmid wirbt um Anhänger der Grünen

CSU-Kandidat Josef Schmid holte 36,6 Prozent. Sabine Nallinger von den Grünen lag mit 14,7 Prozent weit dahinter und sagte, sie sei "enttäuscht". Nach einer Wahlanalyse des BR kreuzten ihren Namen nur zwei Drittel der Grünen-Wähler an. Zwar nannte es Schmid "historisch", dass ein CSU-Kandidat in die Stichwahl gekommen ist - das hatte es zuletzt 1984 gegeben.

Nicht erfüllt hat sich jedoch sein Wunsch, im ersten Wahlgang mit Reiter gleichauf zu liegen; und ob es ihm gelingt, mit der Aussicht auf eine schwarz-grüne Stadtratskoalition Nallingers Wähler in der Stichwahl auf seine Seite zu ziehen, ist fraglich. Schmid warb noch am Wahlabend offensiv um die Anhänger der Grünen und betonte die programmatischen Gemeinsamkeiten: "Wer maximale grüne Politik durchsetzen will, muss mich wählen." Er könne sich auch gut vorstellen, dass Nallinger zweite Bürgermeisterin werden könnte.

Ob die Grünen eine Wahlempfehlung für Reiter aussprechen, wollen sie bei einer Stadtversammlung am Donnerstag entscheiden. "Der Vorstand wird natürlich einen Vorschlag machen", sagt Stadtchefin Schulze. "Die Entscheidung trifft aber die Basis." Reiter ist nach eigener Aussage zu dem Treffen eingeladen; die Grünen betonten, dies gelte nur, wenn es für eine rot-grüne Stadtratsmehrheit reichen sollte. Schmid sei bisher nicht eingeladen worden. Der CSU-Kandidat warnte die Grünen zugleich davor, sich "zu früh" festzulegen.

Rot-Grün im Rathaus regiert seit 1990, teils unterstützt durch einzelne andere Stadträte. Seit der Wahl 2008 hatten SPD, Grüne und Rosa Liste eine deutliche Mehrheit von 45 der 80 Sitze im Stadtrat. Um diese "zu brechen", hatte CSU-Chef Horst Seehofer noch vergangene Woche für ein schwarz-grünes Bündnis geworben.

Auch Schmid hatte den Grünen im Wahlkampf immer wieder Avancen gemacht, wenngleich er eher eine offene Kooperation im Rathaus anstrebte denn eine formelle Koalition. Zuletzt hatte Nallinger aber betont, dass für sie eine Fortsetzung von Rot-Grün Priorität habe - wenn dies rechnerisch möglich ist.

Das war stets auch die Haltung der Münchner SPD; dort wurde im Wahlkampf mit einigem Unmut verfolgt, wenn sich Nallinger oder andere Grüne von rot-grünen Positionen absetzten. Am Sonntag sagte die OB-Kandidatin: "Wir werden sehr selbstbewusst in Koalitionsverhandlungen gehen und unsere Stärke deutlich machen." Die Grünen seien nun die "Königsmacher".

Zur Wahl gingen am Sonntag so wenige Bürger wie nie in der Nachkriegszeit: Die Beteiligung lag bei gerade mal 42,0 Prozent. Seit 1990 ist sie von Kommunalwahl zu Kommunalwahl gesunken - auf 47,6 Prozent vor sechs Jahren. Zugleich war die Auswahl für die knapp 1,1 Millionen Wahlberechtigten diesmal groß wie nie: Neben zwölf OB-Kandidaten bewarben sich insgesamt 932 Münchner auf 14 Listen für einen Stadtratssitz.

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