Kommunalverwaltung:Ausschreibungen für längst vergebene Stellen

Acht kommunale Spitzenposten sind zu besetzen. Die Stadt sucht in Anzeigen nach Referenten — doch die rotgrüne Mehrheit weiß bereits, wen sie wählen will.

Jan Bielicki

(SZ vom 2.7.2003) — Gesucht wird: "Eine hervorragende Führungspersönlichkeit mit ausgeprägter Verantwortungs- und Entscheidungskraft". Erfahrungen in der Kommunalverwaltung sind erwünscht, eine Hochschulausbildung vonnöten, Bewerbungen mit lückenlosem Lebenslauf, ausführlicher Darstellung der bisherigen Tätigkeit, Zeugnisabschriften und Foto einzureichen beim Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Marienplatz 8 (Rathaus), 80331 München.

So wird die Stadt per Zeitungsanzeige am Samstag nicht nur einen Spitzenjob, sondern gleich deren acht ausschreiben. Denn Ende Juni nächsten Jahres laufen die sechsjährigen Amtszeiten von acht der elf städtischen Referenten aus. Wer nun eine Bewerbungsmappe ins Rathaus schickt, kann eine Reise nach München zur persönlichen Vorstellung gewinnen.

Den Posten eines berufsmäßigen Stadtrats, nach Besoldungsgruppe B7, also mit rund 8000 Euro im Monat bezahlt, bekommt der Bewerber aber wohl nicht. Denn die rot-grüne Rathauskoalition hat längst ausgemacht, wen sie im Januar 2004 an die Spitze der Referate wählen will.

CSU: "Eine Farce"

"Es ist eine Farce", schimpft CSU-Fraktionschef Hans Podiuk. Man wolle "den Markt sondieren", sagt dagegen der grüne Fraktionschef Siegfried Benker, "das nützt auch der Opposition."

Sechs der acht amtierenden Referenten wollen weiter machen — und die rot-grüne Stadtratsmehrheit hat nichts dagegen: So gelten Sozialreferent Friedrich Graffe, 55, und Personalreferent Thomas Böhle, 49, nicht nur in der SPD, der beide angehören, als unumstritten.

Dem Sozialexperten Graffe rechnen die Stadträte hoch an, dass er die Einschnitte, die der städtische Sparkurs auch seinem Referat aufzwang, geschickt und geräuschlos angesetzt hat. Böhle zeigte vor allem bei der Umwandlung stadteigener Betriebe Verhandlungsgeschick.

Auch der parteilose Kreisverwaltungsreferent Winfried Blume-Beyerle genießt in der rot-grünen Koalition hohes Ansehen: Der 54-jährige hat als Nachfolger des CSU-Mannes Hans-Peter Uhl dem Amt einen liberalen Anstrich und dennoch der Opposition wenig Gelegenheit gegeben, sich mit den Themen Sicherheit und Ordnung zu profilieren.

Ebenfalls für weitgehend untadelig hält die Stadtratsmehrheit die Amtsführung der dem grünen Lager zugeschriebenen Kommunalreferentin Gabriele Friderich, 50.

Kritik aus den eigenen Reihen

Kritik auch aus den eigenen Reihen muss sich dagegen der grüne Umwelt- und Gesundheitsreferent Joachim Lorenz gefallen lassen. Einen "gewissen Hang zum Chaotischen" sagen manche SPD-Stadträte dem 53-Jährigen nach. Im Gegenzug sind viele Grüne, aber auch manche Sozialdemokraten unzufrieden mit Schulreferentin Elisabeth Weiß-Söllner, 57.

Die Sozialdemokratin konnte als einzige Amtschefin den vom Stadtrat vorgegebenen Sparbetrag nicht beibringen. Trotzdem müssen weder Lorenz noch Weiß-Söllner, die beide ihre Referate schon seit zehn Jahren leiten, um ihre Wiederwahl fürchten.

Abtreten wollen nur die beiden Senioren der Referentenriege. Den parteiübergreifend hoch geschätzten Stadtkämmerer Klaus Jungfer, 62, zieht es in sein Ferienhaus auf Kreta. Sein Nachfolger ist jedoch bereits ausgeguckt: Mit den maroden Stadtfinanzen soll sich künftig Ernst Wolowicz herumschlagen. Der 50-jährige Chef des Direktoriums ist engster politischer Vertrauter von OB Christian Ude und gilt längst als einer der mächtigsten Männer im Rathaus.

Auch Baureferent Horst Haffner, 62, hört auf. Wer Nachfolger des FDP-Mitglieds wird, ist noch nicht ganz ausgekungelt: "Das Rennen ist offen", sagt der Grüne Benker. Die besten Chancen dürfte jedoch Haffner Stellvertreterin haben, die parteilose Architektin Rosemarie Hingerl, 47.

Den 57-jährigen Wirtschaftsreferenten Reinhard Wieczorek (SPD) hat der Stadtrat bereits im Dezember im Amt bestätigt. Stadtbaurätin Christiane Thalgott kann heute auf ihre Wiederwahl vertrauen.

Die einzige Referatschefin, der eine breite Stadtratsmehrheit ans Amt möchte, hat einen festen Vertrag: Die sechs Jahre der unglücklich agierenden Kulturreferentin Lydia Hartl, 46, enden erst 2007.

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