Kommentar:Selbst der gute Wille fehlt

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Sollen Nachfahren von Menschen, die in der NS-Zeit ihrer Grundstücke beraubt wurden, eine Entschädigung bekommen? Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Umso wichtiger wäre es aber, sich jenseits von materiellen Fragen mit dem Unrecht auseinanderzusetzen

Von Katja Riedel

Soll Karl Nikolaus Köhler, sollen andere Nachfahren von Menschen, die in der NS-Zeit ihrer Grundstücke beraubt wurden, eine Entschädigung bekommen? Aus dem Bauch heraus ließe sich kaum anders als mit Ja antworten. Und doch ist die Antwort nicht so einfach. Wo fängt das Unrecht an? Und wie lässt es sich, sollte es nachweisbar sein, mit einer angemessenen Entschädigung für diejenigen kompensieren, die heute geerbt hätten, was ihre Vorfahren verloren haben?

Köhlers Klage ist vor allem eines: eine Hilfskonstruktion. Ein Druckmittel, um den Rechtsstaat, der dem Unrechtsstaat folgte, zu zwingen, sein eigenes Handeln in Gegenwart und Vergangenheit zu hinterfragen. Denn das ist, auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende, immer noch nicht konsequent genug geschehen. Nach 1945 hat es eben keine umfassende Selbstreinigung, keine konsequente Verfolgung der Täter und auch keine konsequente Suche nach allen Opfern des Naziregimes gegeben. In deutschen Behörden gab es Kontinuitäten und alte Allianzen. Übergeordnete Interessen standen über den Bemühungen einer älteren Witwe, die ihr Land zurückwollte. Margarethe Pauckner und andere Eigentümer, auf deren Wiesen gleich zweimal größere Pläne verfolgt wurden, waren Sand im Getriebe eines Staates und seiner Besatzer, der schnell wieder reibungslos funktionieren sollte.

Soll die Bundesrepublik nun also viele Millionen Euro an Köhler und mögliche andere Kläger zahlen? Wäre es gerecht, wenn der Aufstieg Pullachs und die massiv gestiegenen Bodenpreise im Großraum München dazu führen würden, dass Einzelne am Ende so sehr profitierten? Gerichte werden dies klären; dass Köhler Recht bekommt, ist unwahrscheinlich. Doch viel wichtiger ist: Der Staat muss sich damit auseinandersetzen, dass Pauckner und anderen Unrecht widerfahren ist - auch nach dem Krieg. Margarethe Pauckner wurde von der Bundesrepublik in ihrem Gerechtigkeitsempfinden bitter enttäuscht. Damit sich dies bei den Nachfahren nicht wiederholt, bräuchte es weder Anwälte, noch Kläger, noch ein Urteil. Dazu bräuchte es auf staatlicher Seite allein den Willen, auf die Erben zuzugehen. Bisher fehlt dieser.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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