Kommentar:Nur Bewahren ist zu wenig

Von Alfred Dürr

Als vor drei Jahren das Ergebnis für die Neugestaltung von Deutschlands ältester Stadtjugendherberge veröffentlicht wurde, war dies eine Nachricht mit Aha-Effekt. Der 1929 errichtete Komplex in der Nähe des Rotkreuzplatzes sollte sich künftig als attraktives und durchaus auffälliges Design-Gebäude präsentieren. Der Jugendherbergsverband verdient Lob für den Mut, von einem verstaubten Image mit einfachsten Unterkünften wegzukommen und damit auch bei der Architektur seiner Häuser neue Wege zu gehen.

Es kann nicht ausbleiben, dass ein solches Konzept Widerspruch provoziert. Noch dazu, wenn als Sieger aus dem Wettbewerb ein Büro wie Graft Architekten aus Berlin hervorgeht. Kritikern ist deren Arbeit zu modisch, zu effekthascherisch, zu sehr auf Inszenierung angelegt. Erneut hat nun die Mehrheit der Stadtgestaltungskommission den ersten Preis eines Wettbewerbs verurteilt. Auch der Siegerentwurf für den Neubau neben dem Hotel Mandarin Oriental, der das Fina-Parkhaus ersetzen soll, fiel bei den Hütern des Stadtbildes durch. Hier wie da lautet das Hauptargument: Der Entwurf passt nicht in die Umgebung.

Im Fall des Nachfolgebaus für das Parkhaus, das im Zentrum der Stadt liegt, hat das Argument Gewicht. Schließlich ist der bauliche Charakter der Münchner Altstadt ein kostbares Gut. Extravagante Entwürfe aus Stahl und Glas müssen geprüft werden: Passen sie wirklich zu dieser besonderen Identität, die das Bild Münchens etwa mit der typischen Dachlandschaft, den Kuppeln und Türmen prägt? Aber die Stadt braucht nicht nur die Beständigkeit, das Bewahren, das unauffällige Sich-Einfügen in den Bestand - sie lebt auch vom Wandel und von der Veränderung. Diese Situation zeigt sich am Beispiel der Jugendherberge. Beharren auf der Tradition bedeutet Stillstand. Der Architektur kommt dabei eine zentrale Funktion zu. Dass in Neuhausen ein selbstbewusster Auftritt gewagt wird, ist deshalb zu begrüßen. Die Verantwortlichen der Jugendherberge zeigen sich für Detailveränderungen an der Fassade offen, daran kann auch noch gearbeitet werden. Jetzt aber einen Entwurf zu verlangen, der nur ja unauffällig ist und keinen Anstoß erregt, ist der falsche Weg.

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