Kommentar:München explodiert und die Politik sieht zu

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Rush-Hour am Marienplatz (Foto: Johannes Simon)

Die Stadt wächst und wächst. CSU und SPD sollten diesen Prozess gestalten. Stattdessen beharken sie sich in Grabenkämpfen.

Kommentar von Heiner Effern

Einmal Augsburg, in nur 20 Jahren. In dieser Dimension wird München bis 2035 wachsen. Das heißt, dass 300 000 neue Bürger eine Wohnung benötigen werden, noch mal etwa 80 000 mehr als bisher angenommen.

Viele werden Kinder mitbringen oder hier bekommen, für die sie eine Krippe, eine Schule und einen Hort brauchen. Sie werden die U-Bahn und die Busse nützen und ungeachtet aller ökologischen Ideale mit dem Auto unterwegs sein. Sie werden sich in Parks erholen und sie werden Sport treiben oder Kinos und Theater besuchen wollen.

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Von Heiner Effern

Wie soll das gehen in einer Stadt, in der sich die Menschen wohl fühlen, in der sie aber auch spüren, dass sie jetzt schon an Grenzen stoßen? An finanzielle, am empfindlichsten bei den Mieten. An soziale, etwa bei der Kinderbetreuung. An strukturelle, in überfüllten S-Bahnen oder im Stau auf der Straße. Aber auch auf dem Sportplatz, von dem ihre Kinder wegen Überfüllung weggeschickt werden.

Dieser Frage muss sich die Politik stellen, sie muss noch stärker den Rahmen bilden für ihre Beschlüsse. Stadträte verweisen zurecht darauf, dass sie den Zuzug nicht steuern können. Und sie haben als richtige Reaktion nach dem Investitionsstau der späten Ude-Ära schon Milliarden in die Zukunft gesteckt, in Wohnungen, Schulen und den Nahverkehr. Doch das stopft gerade die bestehenden Löcher.

Eine übergeordnete politische Idee, wie das Leben in der explodierenden Stadt München 2035 aussehen soll, hat bisher niemand präsentiert. Zudem fehlen klare, über Parteiinteressen hinausgehende Präferenzen, wie das gerade noch reichlich vorhandene Geld am effizientesten eingesetzt wird. Die neue Bevölkerungs-Prognose erscheint zu einer Zeit, in der sich SPD und CSU mehr misstrauisch beharken als sie konstruktiv zusammenarbeiten.

Dabei hätte eine so große Mehrheit im Stadtrat die Möglichkeit, wenn nicht gar die Pflicht, angesichts des dramatischen Wachstums entscheidende Weichen über das Tagesgeschäft hinaus zu stellen. Ob sie dieser Verantwortung gerecht wurden, daran werden sich CSU und SPD nach dieser Wahlperiode messen lassen müssen.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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