Kommentar:Mächtig Druck im Kessel

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Das große Interesse der Bürger an der Entwicklung im Münchner Norden zeigt eines klar: Nur wenn man im Rathaus nicht Wachstum um jeden Preis anstrebt, bleibt der Stadt das Lebenswerte erhalten

Von Thomas Kronewiter

Abende, an denen die Feldmochinger Faganahalle für andere als für sportliche Zwecke derart gut gefüllt war wie am Montag, gab es bisher so gut wie nicht. Wenn aber ein Informations- und Diskussionstermin unmittelbar nach den Weihnachtsferien mehr als 1000 Besucher anzieht, darf man getrost unterstellen, dass Leidensdruck herrscht, erhöhtes Informationsbedürfnis, Diskussionsinteresse und vielleicht auch der Wunsch, Dampf abzulassen.

Die Mutmaßung jedenfalls, die geplante Ausweisung eines großen Siedlungsgebiets nordwestlich von Feldmoching berührte allenfalls ein paar Großbauern, darf man nach dem Montagabend ebenso ins Reich der Fabel verweisen wie die Annahme, Münchens Siedlungs- und Wohnungspläne würden unter allen Umständen von den Münchnern goutiert.

Schon seit vielen Monaten steht - oft unausgesprochen - die Dampfkessel-Theorie des früheren Oberbürgermeisters Georg Kronawitter im Raum, wenn von Wachstum, Verkehrsinfarkt, Wohnungsspekulation die Rede ist. Nicht bloß die gut 1000 Anwohner aus dem Münchner Norden von Montagabend haben zunehmend das Gefühl, die Metropole drohe wie ein überhitzter Dampfkessel zu platzen. Den Neuperlachern, die auf ihren sechsgeschossigen Komplex zwei weitere Stockwerke aufgesetzt bekommen sollten, ging es so, den Nachbarn des Kustermann-Parks, dessen Ränder kurzfristig als potenzieller Baugrund zur Disposition standen. Und die in Trudering und den Münchner Gartenstädten geborene Bürgerbewegung, die kompromisslos sämtliche öffentlichen Grünflächen in der Stadt per Bürgerentscheid jeder Bebauung entziehen will, bunkert nicht von ungefähr immer mehr Unterschriften.

Wenn Politik und Verwaltung dem entgegenhalten, oberstes Ziel jeder Daseinsvorsorge müsse der Wohnungsbau sein, dürften die städtischen Verantwortungsträger zwar abstrakt Zustimmung finden. Wie aber können großflächig Wohnungen entstehen, ohne dass das Lebenswerte in der Stadt zerstört wird? Den großen Plan der Verantwortlichen, den vermissen nicht nur die 1000 Unzufriedenen von Montagabend.

© SZ vom 10.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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