Kommentar:Lauter Streit ums stille Örtchen

Die Idee, die "nette Toilette" mit Hilfe ehrenamtlicher Stadtteilpolitiker Münchner Wirten nahe zu bringen, ist ein Offenbarungseid

Von Berthold Neff

Pecunia non olet. Das soll der römische Kaiser Vespasian einst rechtfertigend gesagt haben, als er eine Latrinensteuer erhob, um die Staatskasse zu füllen. Die Nachwelt dankte es ihm, indem sie - etwa in Italien - öffentliche Toiletten bis heute "Vespasiani" nennt, während die Tatsache, dass er den Bau des Kolosseums einleitete, kaum noch mit seinem Namen verknüpft ist. Zweifelsohne war die Frage, wo und zu welchen Konditionen man sich erleichtern kann, immer ein Politikum.

Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch in München die Toilettenfrage stets hitzige Diskussionen nach sich zieht. In Bürgerversammlungen spielen die öffentlichen Toilettenanlagen stets eine tragende Rolle, und wenn die Stadt eine dieser Bedürfnisanstalten schließt, braucht man auf die wütende Reaktion der Bürger meist nicht lange zu warten.

Umso mehr staunt man darüber, dass die Stadtverwaltung das Problem nicht mit mehr Verve angeht. Die Vorlage, mit der Kommunalreferent Axel Markwardt jetzt das Modell "Nette Toilette" in München etablieren will, liest sich stellenweise wie ein Offenbarungseid. Niemand will zuständig sein, wenn es ums stille Örtchen geht. Das Kommunalreferat will sich weiter nur um die Friedhofs-WCs kümmern, das Baureferat sieht sich mit denjenigen auf Straßen, Plätzen, in Parks und Grünanlagen völlig ausgelastet. Und auch das Referat für Arbeit und Wirtschaft, ohnehin schon mit den WC-Anlagen der Stadtwerke befasst, sieht sich außerstande, federführend in Sachen "Nette Toilette" einzusteigen.

Nun sollen es die Bezirksausschüsse richten und bei den Wirten Klinken putzen, obwohl eine solche abenteuerlich anmutende Akquise von ihrer Satzung überhaupt nicht gedeckt ist. Und bezahlen sollen sie den Service gleich mit, und höchstens "gegebenenfalls" dafür entschädigt werden. Das ist schlechter Stil. So kann die Stadtverwaltung mit den ehrenamtlich Tätigen, die an der Basis so viel leisten, nicht umspringen. Jetzt ist Oberbürgermeister Dieter Reiter gefragt. Er sollte sicherstellen, dass es die Bürokratie einer Großstadt schafft, mit 120 Wirten zu reden - und sie für eine gute Sache zu gewinnen.

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