Kommentar:Kabuff oder Konzept

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Kaum hat die Rathaus-SPD die Idee formuliert, Münchens Wohnraumprobleme mit Apartments auf Stelzen auf einem Parkplatz vor dem Dantebad zu lösen, stehen die Nachbarn auf der Matte. Ihre Einwände sind ernst zu nehmen

Von Thomas Kronewiter

Das wäre ja auch zu schön gewesen: Da kommt aus der Politik eine auf den ersten Blick ungewöhnliche, pfiffige, vielleicht ein wenig schräge Idee, die ein ganzes Bündel von Problemen zugleich lösen könnte. Am Ende sind alle begeistert, das Projekt wird - hauruck - durchgezogen. So ist Politik aber nicht, und das zeigt sich einmal mehr am Beispiel der im Ballungsraum München besonders im Feuer stehenden Wohnungsbaupolitik.

Kaum haben Oberbürgermeister Dieter Reiter und sein SPD-Parteigenosse, Rathaus-Fraktionschef Alexander Reissl, ihren Luftballon steigen lassen, Wohnraumprobleme mit Apartments auf Stelzen auf einem Parkplatz vor dem Dantebad zu lösen, stehen die Nachbarn auf der Matte. Nun wäre es zu einfach, die Debatte im Moosacher Bezirksausschuss auf die St.-Florians-Ebene zu heben und bloße Fundamentalopposition von ein paar Anwohnern zu vermuten, die um Immobilienwerte besorgt sind. So einfach haben es sich auch die Moosacher nicht gemacht. Da entzündete sich die Kritik durchaus konkret an der Wohnform ("übereinander gestapelte Kabuffs"), da fürchtet ein Verein um seinen Sportbetrieb, da werden Architektur und Konzept in Frage gestellt.

In den nächsten Monaten muss sich nun zeigen, ob Reiter und Reissl mit ihrer Idee mehr als einen billigen PR-Gag landen können. Ihnen sowie den Experten in Planung und Verwaltung muss es erst einmal gelingen zu überzeugen. Nur wenn sie die Anwohner mitnehmen, wird sich ein ähnliches Projekt in Perlach, Giesing, Milbertshofen oder Aubing wiederholen lassen. Und nur dann sind Wohnungs-Stückzahlen denkbar, die dem überhitzten Großraum echte Entlastung bringen.

Für Reiter und Reissl spricht der Druck, der auf dem Wohnungsmarkt lastet. Jeden Tag finden sich etliche Opfer der Mietpreisspirale, denen günstige Wohnungen, Einsteiger-Apartments sozusagen, zunehmend außer Reichweite geraten. Jeden Tag wird nach günstigen Mieten gerufen, werden Antworten der Politik verlangt. Dass nicht alles zugleich zu haben ist, sollte auch den Kritikern von günstigen Holz-Wohnungen klar sein: billig und werthaltig, bezahlbar und komfortabel, rasch realisierbar und für 100 Jahre zu betreiben. An der ästhetischen Frage muss es nicht scheitern: Wer sagt, dass Holz-Apartments auf Stelzen hässlich aussehen müssen? Architekten, jetzt geht es um die Ehre des Berufsstands!

© SZ vom 16.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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