Kommentar:Jeder Einzelne muss umdenken

Im Stadtrat gab es am Mittwoch viel Pathos. Doch bevor die "historische Weichenstellung für den Klimaschutz" auch nur ein Gramm Kohlendioxid einspart, muss noch viel geschehen

Von Thomas Anlauf

Der Münchner Stadtrat hat heute Geschichte geschrieben", sagte Münchens Umweltreferentin Stephanie Jacobs am Mittwoch. Der Beschluss, zu dem sich das Gremium durchgerungen hatte, sei "eine historische Weichenstellung für den Klimaschutz in München". Na das klingt aber mächtig nach Pathos. Denn allein mit der Absichtserklärung des Stadtrats, dass spätestens im Jahr 2050 so gut wie kein Treibhausgas mehr von München aus in die Luft geblasen wird, ist noch längst kein Gramm Kohlendioxid eingespart. Ja, man muss sogar sagen: Hätte der Stadtrat dem ehrgeizigen Klimaziel am Mittwoch nicht zugestimmt, hätte München seine Bemühungen um saubere Luft gleich ganz einstellen können.

Ein von der Stadt selbst in Auftrag gegebenes Gutachten kam nun zu dem Schluss, dass München zwar schon sehr ambitioniert in Sachen Klimaschutz ist, was aber bei Weitem nicht ausreicht, um den städtischen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen und dem Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung zu leisten. Natürlich steht eine Großstadt wie München vor viel gewaltigeren Herausforderungen beim Klima- und Umweltschutz als eine 500-Einwohner-Gemeinde. München hat täglich Hunderttausende Autopendler zu verkraften, dazu kommen Kolonnen von Lkw, die durch die Stadt fahren oder sie mit Waren beliefern. 1,6 Millionen Menschen müssen mit Strom, Wasser und Wärme versorgt werden.

Aber nicht nur die Stadt, sondern alle Münchner müssen nun radikal umdenken. Es genügt eben nicht, im Supermarkt Bioprodukte einzukaufen, so lange man sie mit dem Auto heimfährt. Onlinehändler sind auch keine Alternative, schließlich fahren dadurch unzählige Lieferwagen durch die Stadt und die Abfalltonnen werden verstopft mit Umverpackungen. Es ist deshalb richtig, wenn die Stadt nun auch aktiv auf die Münchner zugehen will, um sie für Klimaschutz im täglichen Leben zu begeistern. Wenn das gelingt, dann wäre das tatsächlich eine historische Weichenstellung.

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