Kommentar:Gesichter der helfenden Stadt

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Es wäre ein großer Verlust, wenn sich die ehrenamtlichen Helfer für Flüchtlinge zurückzögen. Deshalb muss die Stadt sie unterstützen

Von Kassian Stroh

Wenn es so käme, es wäre ein Wendepunkt. Wenn es keine Ehrenamtlichen mehr gäbe am Hauptbahnhof, jene freiwilligen Helfer in den lila Westen, die Flüchtlingen Wasser und Kekse reichen, die versuchen, ihnen Ängste zu nehmen und Auskunft zu geben, die sie zu Notquartieren geleiten. Wenn sie sich also zurückzögen, wandelten sich nicht nur die Bilder vom Hauptbahnhof, sondern auch das Bild, das München abgibt.

Es ist ja den ehrenamtlichen Helfern zu verdanken, dass München in aller Welt Aufsehen erregt hat ob der Art und Weise, wie menschlich es Asylsuchenden begegnete. Wären am Montagabend vor zwei Wochen nicht spontan ein paar Dutzend Münchner losgezogen und hätten Wasser und Essen gekauft, wäre offenkundig geworden, wie überfordert die Behörden anfangs waren. Wer weiß, was dann für Bilder um die Welt gegangen wären. Keine schönen. Doch nun, nach zwei Wochen, ist ein Punkt erreicht, wo manches infrage steht. Weil die Ferien vorbei sind, weil Helfer keinen Urlaub mehr haben, weil ihre Kräfte am Ende sind. Vor allem die, die den Einsatz koordiniert haben.

Die ehrenamtliche Hilfe muss professionell organisiert werden - das klingt zwar paradox, es geht aber wohl nicht anders. Nach wie vor gibt es ja ungebrochen viele Münchner, die gerne helfen würden. Das alles muss aber organisiert und koordiniert werden. Es ist gut, wenn Behörden dies zunehmend übernehmen. Und besser, wenn es die Stadt ist, anstatt einer anonymen, bis vor zwei Wochen eher unbekannte Behörde wie der Regierung von Oberbayern. Oder gar Polizei und Bundeswehr, mit denen sich potenzielle Helfer sicher deutlich weniger identifizieren können. Helft den Helfern! Denn allein können die Behörden die Situation am Hauptbahnhof immer noch nicht regeln. Für das Bild der Stadt geben freundliche Menschen in lila Westen immer noch ein besseres Bild ab als eskortierende USK-Polizisten oder Soldaten.

© SZ vom 14.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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