Kommentar:Die Kaltschnäuzigkeit ist extrem abstoßend

Die Geschäftsleitung beim Komplex Freischützgarten stellt Gewinnmaximierung über alle Belange der Mieter und ihrer Kunden. So kommt eine Gentrifizierungsspirale in Gang - die am Ende die Alteingesessenen aus dem Viertel hinauskatapultieren wird.

Kommentar von Ulrike Steinbacher

Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten - sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her." In Teilen trifft die beißende Kritik des früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering auch auf den Fall Freischützgarten zu: Betreiber alteingesessener Geschäfte, Ärzte und Therapeuten, Leiter von Sport- und Tanzschulen bekommen vom neuen Eigentümer keinen Mietvertrag mehr und müssen sehen, wo sie bleiben - und mit ihnen auch ihre Kunden, Patienten, Schüler.

Anonym agiert die Führungsetage der Munich Residential GmbH (MR) allerdings keineswegs. Mit einer Offenheit, die den Zuhörern im Unterausschuss Planung des Bezirksausschusses Bogenhausen schier die Sprache verschlug, machten ihre Vertreter klar, dass es ihnen ums Geschäft geht - um nichts anderes. Alle drei Jahre lässt sich die Wohnungsmiete um 15 Prozent erhöhen? Her damit. Die ortsübliche Gewerbemiete liegt bei mehr als 20 Euro pro Quadratmeter, und manche Ladenbetreiber zahlen jetzt nur neun? Wird zügig angehoben.

Wohlgemerkt: Das ist nicht verboten, das gibt der Münchner Mietmarkt her. Und dass die Sanierung einer Wohn- und Gewerbeanlage für 20 Millionen Euro hinterher zu Mieterhöhungen führt, dürfte auch jeder akzeptieren. Außerdem hat MR-Geschäftsführer Moritz Opfergeld selbstverständlich recht damit, dass ein Eigentümer frei entscheiden kann, an wen er vermietet.

Allerdings ist die Kaltschnäuzigkeit extrem abstoßend, mit der die MR-Geschäftsleitung die Gewinnmaximierung über alle Belange der Mieter und ihrer Kunden stellt. Doch es geht nicht um Charakterdefizite einzelner. Denn so kommt eine Gentrifizierungsspirale in Gang - höhere Mieten, wohlhabendere Bewohner, gehobene Ansprüche -, die am Ende die Alteingesessenen aus dem Viertel hinauskatapultieren wird. Und das in Johanneskirchen, keine 800 Meter vom Stadtrand entfernt. Um ein Umsteuern zu erzwingen, fehlen den Stadtteilvertretern die rechtlichen und politischen Hebel. Ihnen bleiben nur hilflose Appelle ans soziale Verantwortungsgefühl. Die aber prallen an Adressaten wie den MR-Leuten schlichtweg ab.

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