Kommentar:Gegen die Eltern geht es nicht

Wo sind Kinder nach der Schule am besten aufgehoben? Es mag sein, dass es in der klassischen Ganztagsklasse ist. Es ist aber trotzdem wichtig und richtig, Eltern Alternativen zu bieten. Das hat die neue Stadtschulrätin Beatrix Zurek offensichtlich vor

Von Melanie Staudinger

Etwa 15 Prozent aller Eltern tun zu wenig, rund 15 Prozent tun zu viel: Und genau diese 30 Prozent sind es, die den Verantwortlichen in Kindergärten und Schulen die meiste Energie rauben. Diese Erkenntnis stammt von Josef Kraus, der als Schulleiter und Präsident des Deutschen Lehrerverbands unzählige Elterngespräche geführt und sich als Autor konkret mit Helikopter- Eltern beschäftigt hat. Ja, mit den lieben Eltern haben die Lehrer es nicht immer leicht. Die einen drohen gleich mit dem Anwalt, wenn hinter der eins in der Matheprobe mal ein Minuszeichen steht. Die anderen kommen nicht einmal dann in die Sprechstunde, wenn das zweite Mal Sitzenbleiben droht. So unterschiedlich Eltern auch sein mögen, eines verbindet sie alle: Sie wollen sich ihren Lebens- und Erziehungsstil nicht vorschreiben lassen.

Das ist einer der Gründe, warum eine Zwangsbeglückung mit klassischen Ganztagsschulen - so wie die Stadt München es versucht hat - nicht funktionieren kann. Es gibt Eltern, die das Angebot schätzen, weil ihnen die Abwechselung von Unterricht und Freizeitphasen gefällt oder weil es nichts kostet. Andere aber wollen den Nachmittag gemeinsam mit ihren Kindern gestalten und wünschen sich nur an einzelnen Tagen der Woche eine Betreuung. Oder sie müssen schlicht bis abends arbeiten und schicken ihre Kinder daher in den länger geöffneten Hort. Eine Großstadt wie München mit ihren vielen verschiedenen Familien muss daher möglichst viele verschiedene Angebote vorhalten und diese auch gleichwertig behandeln.

Die neue Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) scheint genau diese Strategie verfolgen zu wollen. Sie selbst, das verschweigt sie nicht, sieht die klassische Ganztagsschule als sinnvoll an, gerade um Kinder aus bildungsfernen Schichten zu fördern. Sie zeigt aber auch Verständnis für die Eltern, die sich für ein anderes Angebot entscheiden. Damit grenzt sie sich in den ersten Monaten ihrer Amtszeit von ihrem Vorgänger Rainer Schweppe ab. Und daran tut sie gut: Job und Familie unter einen Hut zu bekommen, ist ohnehin schon schwierig genug. Dieses Unterfangen muss nicht noch weiter erschwert werden, weil Familien nicht das finden, was zu ihrer Lebenssituation passt. Eine Entscheidung gegen die Eltern kann es ohnehin nicht geben. Die lassen sich nämlich bekanntlich nichts vorschreiben.

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