Kommentar:Frustabbau am Strand

Kein Wunder, dass sich CSU und SPD derart über den Kulturstrand in die Haare kriegen: Er ist als Thema zu klein, als dass der Zoff ernsthafte Folgen hätte

Von Heiner Effern

Ist doch nicht der Rede wert, sagt man, wenn einem jemand für eine Kleinigkeit dankt. Das ist doch so viel Diskussion nicht wert, hieß es dieser Tage, wenn man Stadträte der CSU und SPD zur Vergabe des Kulturstrands 2017 befragte. Viel zu viel Gezerre verglichen mit der geringen Bedeutung der Sommersause, da waren sich die Koalitionäre einig. Um im nächsten Moment den anderen von hinten lustvoll am Trikot zu zupfen oder gleich umzugrätschen.

Betrachtet man diese kuriose Rathaus-Woche mit wirklich wichtigen Entscheidungen, bieten sich zwei Interpretationen an. Variante eins: Der Strand machte deshalb eine steile Karriere, weil er vielen Stadträten doch mehr wert ist, als sie zugeben. Klingt aber eher unwahrscheinlich, die großen politischen Weichen werden gerade im Wohnungsbau oder beim Verkehr gestellt. Variante zwei: Der Strand schoss in seiner Bedeutung nach oben, weil er als Thema klein genug ist, um an ihm gefahrlos alle Frustrationen eines Koalitionsjahres loszuwerden.

Schon im Januar weigerte sich die CSU, die angeschlagene Brigitte Meier (SPD) als Sozialreferentin für eine zweite Amtsperiode zu wählen. Die SPD ließ sie mehr oder weniger erzürnt fallen. Dafür verlor die CSU wiederum in wenigen Monaten drei Stadträte, zwei an die Bayernpartei und einen an die Justiz. Die Tage als stärkste Fraktion waren vorbei, das Selbstbewusstsein angeknackst. Im Sommer folgte der Streit um den Wiesnzaun, in dem Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) seinen Stellvertreter Josef Schmid (CSU) ordentlich in die Maschen laufen ließ. Erst der dramatische Amoklauf erstickte diese Fehde. In den vergangenen Wochen rangen CSU und SPD um jeden Zentimeter der Tram-Westtangente. Die SPD bekam ihren gewünschten Beschluss, einige CSU-Stadträte stehen als wortbrüchig da.

Die Vergabe des Strands überschattete diesen wegweisenden Beschluss ebenso wie die Verabschiedung des Haushalts. Hätten CSU und SPD jedoch eines dieser Themen zur Frustrationstherapie gewählt, wäre das Bündnis zumindest ernsthaft in Gefahr gewesen. So wird es im Januar nach einem der vielen Krisengespräche heißen: Der Strand? Ist doch nicht der Rede wert.

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