Kommentar:Friss oder stirb

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Beim Umgang mit dem Mieter im Haus mit der roten Fahne zeigen Stadträte, Wohnungsgesellschaften und Behördenvertreter wenig politisches Gespür

Von Thomas Kronewiter

Für manchen Münchner mag das Haus mit der roten Fahne ja eher ein rotes Tuch sein angesichts der Aktivitäten, die an der Tulbeckstraße stattfinden - zwischen Arbeiterbewegung und KPD-Wiederaufbaubund. Und es ist wohl auch richtig, dass sich nicht jeder im Viertel mit allem identifizieren kann, was sich dort so abspielt. Gleichwohl muss man sich die Augen reiben über die Ereignisse, die sich seit den letzten Tagen des Jahres 2016 regelrecht überschlagen haben. Und es bleiben viele Fragen derzeit offen.

Das fängt damit an, dass es offenbar weder den Mietern des Hauses noch den Unterstützern und den Lokalpolitikern der Schwanthalerhöhe gelingt, Ansprechpartner zu finden. Die involvierten Wohnungsgesellschaften GWG und MGS ducken sich weg, allerorten wird nur von einem "Politikum" geraunt. Die Stadtrats-Entscheidung, auf dem Areal des geschichtsträchtigen Hauses Wohnungen zu errichten, soll offenbar möglichst geräuschlos exekutiert werden.

Da passt es auch ins Bild, dass die vermeintliche Wohltat einer Vertragsverlängerung ausgerechnet drei Tage vor Weihnachten nur mit dem Zusatz angeboten wird, dass man dafür ohne weitere Widerworte und juristisch verbindlich dem stillen Auszug zum 31. Dezember 2017 zustimmt. Zwei Tage Bedenkzeit, also bis zum Tag vor Heiligabend, ließ man dem Hauptmieter für diese bedeutsame Unterschrift, die nicht unpassend im Juristendeutsch "Unterwerfung" heißt.

Wenn dann aber gleichzeitig ein Behördenschreiben ankündigt, man werde erneut das Rathaus einschalten, und eine auf Uraltklauseln fußende, aber Jahrzehnte nie eingeforderte Mietnachzahlung verlangt wird, muss man sich nicht wundern, dass im Bezirksausschuss starke Worte die Runde machten. Von Erpressung und Intransparenz war dort am Dienstagabend die Rede.

Dass der Umgang mit der Immobilie und ihren Nutzern nun trotz des hehren Ziels, dort Wohnungsbau zu realisieren, derart eskaliert, haben sich die Wohnungsgesellschaften, die Stadtverwaltung sowie die Stadträte selbst zuzuschreiben. Zumindest Intransparenz müssen sie sich zu Recht vorwerfen lassen. Wie wenig politisches Gespür die seit November im Amt befindliche neue GWG-Geschäftsführung beweist, ist besonders traurig - gerade, da doch in Christian Amlong ein ehemaliger Stadtrat Mitverantwortung trägt.

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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