Kommentar:Eine Werbung, die allen hilft

In München ist ein absurder Streit um die Sonntagsöffnung der Läden an einem einzigen Tag im Jahr entbrannt. Diese Debatte geht am Kern des Problems vorbei

Von Melanie Staudinger

Da ist es also wieder, das Argument vom Dammbruch. Würden die Geschäfte in der Münchner Innenstadt an einem Sonntag im Jahr öffnen, wäre das, so beklagt Verdi, ein "Angriff auf die letzte Nische des Ladenschlussgesetzes". Sechs Tage pro Woche, da sei man sich mit den Kirchen einig, müssten zum Einkaufen reichen. Doch selbst wenn die Gewerkschaft mit ihrer Argumentation vor Gericht durchkommen sollte: Sie hat mit ihrem Nein zum verkaufsoffenen Sonntag beim Stadtgründungsfest eine absurde Debatte losgetreten, die am eigentlichen Kern des Problems vorbeigeht: der Wiederbelebung oder, wie im Falle Münchens, dem Erhalt einer lebendigen Innenstadt.

Als einen Angriff auf das Ladenschlussgesetz kann man den geplanten Marktsonntag schon deshalb nicht werten, weil niemand gefordert hat, dass die Geschäfte künftig an sieben Tagen am besten noch rund um die Uhr offen stehen müssen. Es geht, und das sei hier betont, nur um einen Sonntag im Jahr. Und der soll weder die Angestellten ärgern (viele Geschäftsinhaber teilen die Schichtpläne auf freiwilliger Basis ein) noch groß den Umsatz einiger weniger Chefs auf Kosten der Mitarbeiter steigern. Der Marktsonntag ist schlicht eine Marketing-Aktion, die in den Kommunen im Umland, in Dachau etwa oder in Freising, ohne großes Aufsehen bis zu viermal im Jahr stattfindet. Das Kalkül dahinter: Wenn sich ohnehin schon viele Menschen bei einem großen Fest in der Innenstadt tummeln, dann sollen doch auch die Geschäftsleute davon profitieren. Nicht nur, indem sie kurzfristig ein großes Geschäft machen, sondern auch langfristig.

Dunkle Schaufenster und verrammelte Türen an einem solchen Tag würden einen ausladenden, ja sogar tristen Eindruck hinterlassen. Stehen die Geschäfte jedoch offen, könnte es ihnen gelingen, eine Klientel zu erschließen, die schon verloren geglaubt war: Diejenigen Kunden, die längst ins Internet abgewandert sind und dort eine Menge Geld lassen. Sie entdecken vielleicht beim Stadtgründungsfest das Innenstadt-Shoppen neu und kommen anschließend öfter wieder. Einen Versuch wäre das zumindest wert - auch für die Gewerkschaften. Denn belebte Innenstädte sind nicht zuletzt in ihrem Sinne: Je mehr Kunden die Händler an sich binden, desto sicherer sind die Arbeitsplätze, um die Verdi so hartnäckig kämpft.

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