Entgegen einer weitverbreiteten Meinung, ist kein Münchner zum Besuch des Oktoberfests verpflichtet. Zwar erwecken die alljährlichen Besucherzahlen stets den Eindruck, dass jeder von uns einen erklecklichen Anteil der zwei Wiesnwochen auch tatsächlich auf der Festwiese verbringt und dabei 196 Mass Bier, 47 Hendl und zwei Ochsen vertilgt. Jedoch: Viele verweigern sich dem Spektakel und sind dabei ihrer langjährigen Tradition ähnlich treu wie die euphorischen Wiesngänger.
Darauf hinzuweisen gibt es durchaus Anlass, weil die Diskussion um Absagen oder Hingehen vor der diesjährigen Wiesn gerade einen merkwürdigen Zungenschlag annimmt.
Fällt Regine Sixt den Verteidigern des westlichen Lebensstils in den Rücken, wenn sie ihre Damenwiesn aus Furcht um die Sicherheit absagt - weil man sich doch nicht wegducken soll vor denen, die unsere Freiheit bedrohen? Machen Trachtenvereine sich lächerlich, wenn sie diesmal anders als sonst beim großen Festzug nicht dabei sein wollen - und sind andererseits diejenigen dumpfe Ignoranten, die trotz allem Leid der Welt auf die Bänke steigen und wilde Sauflieder grölen?
Oktoberfest:München rechnet mit weniger Wiesnbesuchern
Die Terrorangst geht um. Neue Rekorde erwartet deshalb niemand bei diesem Oktoberfest. Von Massenstornierungen ist aber bislang nichts bekannt - nur von einem politisch interessanten Einzelfall.
Nein, so ist es nicht, sie treffen nur alle eine selbstbestimmte Entscheidung, jede und jeder für sich. Wenn das in diesem Jahr zu etwas mehr Nachdenken darüber führt, wie die Stadt und ihre Bewohner mit dem größten Massenauflauf der Welt umgehen, ist das ganz bestimmt kein Nachteil.
Denn die ziemlich zähe Diskussion um das neue Sicherheitskonzept hat in den vergangenen Monaten sehr deutlich gemacht, dass das Fest nicht nur ein gemütliches, sondern auch ein monströses, schwer beherrschbares ist. Man kann auf der Wiesn wunderbar Spaß haben, man geht aber auch ein Risiko ein.
Nur die Münchner und ihre Gäste werden entscheiden, wie locker und fröhlich die 17 Herbsttage werden. Und nicht irgendwelche imaginären Bedroher. Wenn das Fest insgesamt eine Spur ruhiger verläuft, dann kann ihm das nur gut tun. Ganz im Sinne eines alten Spruchs: ein Prosit der Gemütlichkeit.