Kommentar:Die halbe Wahrheit

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Diese Lösung für die Schulcontainer hätte den Experten schon lange einfallen können. Dann hätten sich Politik und Verwaltung viel erspart.

Von Thomas Kronewiter

Diese Lösung hätte den Experten schon lange einfallen können. Dann hätten sich Politik und Verwaltung viel erspart. Wütende Elternproteste, den immer wieder erhobenen Vorwurf der Beschwichtigung, des Übergehens von elementaren Fürsorge-Prinzipien, Schulsprengel-Tourismus, Unfrieden in ganzen Schulfamilien. Insofern ist die Botschaft vom flächendeckenden Einbau von Lüftungsgeräten in städtischen Containerbauten eine gute Nachricht. Die vier Millionen Euro für die Anschaffung angesichts einer milliardenschweren Schulbau-Offensive sind eine zu verschmerzende Ausgabe. Luftschadstoff-Skandale sollte es in Schulpavillons nach dem Beschluss vom Mittwoch keine mehr geben.

Auch wenn es die Verantwortlichen nicht zugeben: Die Entscheidung, jetzt zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, weil die Raumluft-Situation in den Pavillons nicht allein mit den Lüftungs-Appellen ausreichend verbessert wurde, ist ein Eingeständnis des Scheiterns. Die wütenden Obermenzinger Eltern dürfen sich bestätigt fühlen. Sie hatten sich mit wechselnden Messergebnissen und den Aufrufen diverser Behörden, die Ruhe zu bewahren, nie zufrieden gegeben und immer wieder neue Messungen der Formaldehyd-Werte verlangt.

Ihr Aufbegehren, das über viele Monate nicht bloß das Image der Stadtverwaltung ramponierte, sondern auch in einer ganzen Reihe von Behörden Kräfte band und über teure Gutachten Kosten verursachte, hat den Stadtratsbeschluss vermutlich mit auf den Weg gebracht. Und der Fall Grandlschule war ja beileibe nicht der einzige - selbst wenn man in der Verwaltung betont, aktuell keine neue Formaldehyd-Containerschule zu haben.

Die neue Stadtschulrätin Beatrix Zurek kann sich zugute halten, dass sie Probleme der Ära Schweppe offenkundig anpackt. Bei der Transparenz bleiben noch Wünsche offen: Was wäre dabei, unter Nennung von Ross und Reiter zuzugeben, dass man eine untragbar gewordene Situation als verbesserungsbedürftig eingeschätzt und die notwendigen Konsequenzen gezogen hat? Die besorgten Eltern, die ihre Kinder wegen der Formaldehyd-Affären von der Schule abgemeldet haben, hören nun von offizieller Stelle, dass es nur Probleme mit Kohlendioxid gebe und allenfalls Konzentrationsschwächen. Das ist verharmlosend und bestenfalls die halbe Wahrheit.

© SZ vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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