Umzug:Geburtshaus: Die Freiheit der Entscheidung

Umzug: Zahlreiche Kinder haben im Geburtshaus in der Nymphenburger Straße das Licht der Welt erblickt.

Zahlreiche Kinder haben im Geburtshaus in der Nymphenburger Straße das Licht der Welt erblickt.

(Foto: Robert Haas)

Das Münchner Geburtshaus zieht in die Räume einer ehemaligen Abtreibungspraxis. Das gibt weder Anlass zur Dramatisierung - noch ist es ein Sieg der Abtreibungsgegner.

Kommentar von Inga Rahmsdorf

Münchens Geburtshaus zieht in eine ehemalige Abtreibungspraxis. Es ist eine Nachricht, die zunächst überraschend klingt. Bei manch einem mag sie Befremden auslösen. Und Abtreibungsgegner könnten es sogar als ihren Triumph betrachten. Mehr als 20 Jahre hat der Arzt Friedrich Stapf im Westend Abtreibungen vorgenommen. Und so lange sind seine Gegner regelmäßig vor die Praxis gezogen, haben sich als Lebensschützer aufgespielt und demonstriert. Und nicht nur das. Sie haben auch Frauen bedrängt, die auf dem Weg in die Praxis waren, um sie zu bekehren. Und nun zieht dort also ausgerechnet Münchens Geburtshaus ein.

Doch es ist keinesfalls ein Sieg für die Abtreibungsgegner. Der Arzt hat auch nicht aufgegeben, er ist mit seiner Praxis nur umgezogen. Man sollte die Nachricht nicht aufladen oder dramatisieren. Ein Mieter zieht aus, weil sein Mietvertrag ausgelaufen ist, ein neuer Mieter findet sich, dem die Räume sehr gut passen.

Entscheidungsfreiheit für Frauen

Zudem haben ein Geburtshaus und eine Abtreibungspraxis - so gegensätzlich sie auch sein mögen - eine entscheidende Gemeinsamkeit: Es sind Einrichtungen, die garantieren, dass Frauen Entscheidungsfreiheit geboten wird. Dass sie die Möglichkeit haben, selbst zu bestimmen, ob sie ein Kind bekommen möchten. Beziehungsweise darüber, wie und wo sie ihr Baby zur Welt bringen.

Lange war unklar, ob es weitergeht für das Geburtshaus, denn der Mietvertrag war ausgelaufen. Nun gibt es endlich eine Perspektive für die in München einzigartige Einrichtung. Man muss nicht glühender Verfechter von Geburtshäusern sein, um ihre große Bedeutung für die Stadt schätzen zu können. Es gibt bundesweit nicht mehr viele Geburtshäuser. Die hohen Kosten der Haftpflichtversicherung zwingen viele Hebammen dazu, sich von der originären Aufgabe ihres Berufs, der Geburtshilfe, zu verabschieden.

Und dass eine Abtreibungspraxis wie auch ein Geburtshaus nebeneinander existieren, das gehört zu einer offenen Großstadt. Ebenso wie hier unterschiedliche Wertvorstellungen nebeneinander bestehen. Dazu zählt das Recht auf Abtreibung ebenso wie die Freiheit, Abtreibungen abzulehnen. Das ist aber noch lange kein Grund, sich in das Leben anderer Menschen einzumischen, wie es einige militante Abtreibungsgegner machen. Dem Arzt ist zu wünschen, dass er und seine Patientinnen in er neuen Praxis nicht mehr belästigt werden.

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