Kommentar:Den Boom besser steuern

Völlig zu Recht fordern Experten, die Wohnungspolitik von Stadt und Umland besser zu verzahnen. Bislang mahnen sie aber auch völlig umsonst

Von Christian Krügel

Irgendwie passt in dieser Region ja gar nichts zusammen. Gut bezahlte Arbeitsplätze gibt es vor allem in München, bezahlbare Wohnungen nur noch in den Städten und Gemeinden des weiteren Umlands. Also müssen sich jeden Tag Hunderttausende Menschen auf den Weg vom Schlaf- zum Arbeitsplatz machen, die meisten mit einem S-Bahn-System, das für solche Massen gar nicht gemacht ist.

Deswegen fordern Universitätsprofessoren, Arbeiten und Wohnen besser zusammenzubringen und Bau- und Wohnungspolitik der Gemeinden besser abzustimmen. Das tun sie zum wiederholten Male, völlig zu Recht - und völlig umsonst. Denn trotz aller Beteuerungen der Stadt- und Umlandpolitiker, jetzt aber wirklich mal gemeinsam planen zu wollen, wird das auch künftig nicht passieren. Jedem (Ober-)Bürgermeister, auch dem Münchner, ist die eigene Stadtkasse wichtiger als das regionale Wohl. Der solvente Gewerbesteuerzahler in der eigenen Kommune zählt mehr. Darum wird München weiterhin Großunternehmen anlocken, auch wenn die - wie Microsoft - im Umland eigentlich ganz gut aufgehoben waren. Darum wird jede Gemeinde Flächen lieber für einen weiteren Supermarkt als für sozialen Wohnungsbau ausweisen.

An dem Dilemma wird sich erst etwas ändern, wenn dieser kommunale Egoismus ausgehebelt wird. Die radikalste Möglichkeit: Alles zwischen Starnberg und Freising wird zu einem Groß-München eingemeindet, Wirtschafts-, Bau- und Verkehrspolitik werden aus einer Hand geplant. Mit Rücksicht auf bayerische Tradition, kommunales Selbstverwaltungsrecht und lokale Befindlichkeiten wird das natürlich nie passieren. Aber wie wäre es damit? Die Gewerbesteuer wird nicht mehr pro Gemeinde erhoben und ausgeschüttet, sondern in der Metropolregion insgesamt. Alle profitieren gleichermaßen vom Münchner Boom, gemeinsam sucht man die rechte Verteilung von Wohn-, Arbeits- und Freizeitflächen. Eine verrückte Idee? Nicht verrückter, als auf freiwillige Zusammenarbeit zu hoffen.

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