Kommentar:Das Wunder von Obersendling

Kaum sind 30 Jahre ins Land gegangen, präsentiert die Stadt einen ehrgeizigen Plan, wie sich der unansehnliche Ratzingerplatz zu einem ansprechenden Quartierszentrum umbauen ließe

Von Jürgen Wolfram

Ironie liegt in der Luft. Mit Kommentaren à la "Dass wir das noch erleben dürfen" ist unbedingt zu rechnen. Und mit allgemeiner Erleichterung darüber, wie sie nun wider Erwarten doch noch Gestalt annehmen, die Pläne zum Umbau der Ratzingerplatzes. Was jahrzehntelang partout nicht gelingen wollte, soll unter den Vorzeichen eines dynamischen Wachstums in kurzer Zeit nachgeholt werden. Den Leuten im Südwesten Münchens dürfte die überfällige Wendung einen starken Applaus wert sein, aus gutem Grund: Besteht doch Aussicht, dass ein trostloses Bild aus stillgelegten Trambahngleisen, Brachflächen, Wartehäuschen-Ruine, vergeudeten Verkehrsflächen und unattraktiver Randbebauung einem schlüssigen Konzept der Erneuerung weicht. In seiner gegenwärtigen Konstellation hat es der Ratz, wie ihn manche so knapp wie respektlos nennen, zu zweifelhaftem Ruhm gebracht. Im Vergleich der öden Orte dieser Stadt schlägt er selbst noch den Candidplatz aus dem Feld, und das will wirklich was heißen.

Nicht jener berühmte Bayer, der später Papst geworden ist, hat dem Platz seinen Namen gegeben, sondern ein weniger bekannter bayerischer Militärführer. Man sollte vom Image des hässlichen Flecks mit blassem Namen aber nicht auf seine Bedeutung als Verkehrsdrehscheibe schließen. Die ist nie von Pappe gewesen, nicht einmal nachdem die Trambahnlinie 8 (später 16) durch die U 3 nach Fürstenried-West ersetzt worden ist.

Vor allem aber bietet Obersendlings triste Mitte Expansionsmöglichkeiten, wie sie sich in der Großstadt sonst kaum noch finden lassen. Bedarfsgerechter, zukunftsfester Schulbau, neue Ladenzentren ohne Discounter-Übertreibung, bauliche Konzessionen an die Feuerwehr, ausgeklügelte Verkehrslenkung - plötzlich scheint alles möglich zu sein. Erstaunlich überdies, wie die Kommunalpolitik neuerdings an einem Strang zieht, um den Unort in ein charmantes Quartierszentrum zu verwandeln.

Bleibt zu hoffen, dass der Ausbau der Infrastruktur, zumal der schulischen, mit dem rasanten Bevölkerungswachstum des Stadtteils Schritt hält. Alle beteiligten Behörden und politische Gremien sind jedenfalls gut beraten, ehrgeizige Zeitpläne zu verfolgen. Immerhin besteht über das Zielgebiet aller Bemühungen endlich Klarheit.

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