Kolumne: NullAchtNeun:Wunderschöne Tankstelle

Die Münchner halten grundsätzlich jeden Neubau für missraten - auch die Haltestelle der neuen Parkstadt-Tram an der Münchner Freiheit. Obwohl sie schön ist.

Wolfgang Görl

Als Münchner ist man verpflichtet, jeden Neubau für missraten zu halten. Nichts, was hier errichtet wird, kann vor dem kritischen Auge der Bürger bestehen, es gilt die stillschweigende Übereinkunft, dass nach der Ära König LudwigsI. nur noch Murkser am Werk waren, ausgenommen der Olympia-Architekt Behnisch und Väterchen Timofej, der russische Schwarzbaumeister.

Haltestelle der neuen Parkstadt-Tram an der Münchner Freiheit

Ein Blickfang: Die Haltestelle der neuen Parkstadt-Tram an der Münchner Freiheit.

(Foto: Foto: Rumpf)

Dies mal vorausgeschickt, damit jeder Leser ermessen kann, wie kühn, wenn nicht gar verwegen die folgende Behauptung ist: Die Haltestelle der neuen Parkstadt-Tram an der Münchner Freiheit ist schön. Wie Blumenstängel wachsen die grün-weißen Stützen aus dem Boden, weiten sich in der Höhe zu elegant geschwungenen Kelchen, die ein geschlossenes Dach bilden. Die Münchner Freiheit, die etwa so einladend ist wie eine Kiesgrube, hat nun wenigstens einen Blickfang, der das Auge von den umliegenden Scheußlichkeiten ablenkt.

So, das musste raus, auch auf die Gefahr hin, demnächst ausgebürgert oder zu einer Investition in die Schrannenhalle gezwungen zu werden. Selbstverständlich wäre es uns auch lieber gewesen, in den Chor der Kritiker einzustimmen, die die neue Schwabinger Wartehalle als peinliche Kopie einer Tankstelle aus den fünfziger Jahren geißeln. Na und? So schlecht sahen die Tankstellen damals nicht aus, und es gab einen Tankwart, der sogar wusste, wo man das Motorenöl hineingießen muss.

So etwas findet man heute kaum noch, da ist es doch gut, dass eine Trambahn-Haltestelle an die große Zeit der Tankstellen erinnert. Derartige Spielereien lässt die Münchner Architekturpolizei natürlich nicht durchgehen. Um Gottes Willen, heißt es, das hat's ja noch nie gegeben, diese weiß-grüne Tropfsteinhöhle verstößt eindeutig gegen die seit Heinrich dem Löwen geltende Vorschrift, ein Bauwerk müsse, wenn es schon nicht unsichtbar ist, exakt der Umgebung angepasst sein. Wenn das so ist, dann fügt sich in die Trostlosigkeit der Münchner Freiheit nur etwas Trostloses ein, etwa ein Baucontainer, flankiert von zwei Dixie-Klos.

Spinnt man den Gedanken weiter, dann lässt sich sagen, dass es meistens das Unpassende war, das die Stadt verschönert hat. Man kann über die griechischen Tempel am Königsplatz sagen, was man will, aber münchnerisch sind sie gewiss nicht. Den Zeitgenossen LudwigsI. ist das keineswegs verborgen geblieben, für sie war die Glyptothek nur das "narrische Kronprinzenhäusl".

Auch für die italienische Renaissance der Ludwigstraße hatten die Bürger hauptsächlich Spott übrig, sie war auch so eine ausländische Spinnerei. Inzwischen gelten die Fremdkörper als gut integriert, einzelne Einheimische statten ihnen sogar einen Besuch ab. In seinem tiefsten Inneren liebt der Münchner ja das Neue. Es bietet ihm Anlass zum Granteln, und nach ein paar Jahren ist er stolz darauf.

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