Kolumne Null Acht Neun:Pioniere des Pedelec

Als Weltstädter steht der Münchner in direkter Konkurrenz zu den Hipstern in Berlin, London oder Erding, da heißt es keinen Trend verpassen. Als nahezu unverzichtbar gilt derzeit das Pedelec. Doch auch hier kann sich der Trendsetter durchaus blamieren.

Wolfgang Görl

Es ist keineswegs so, dass der Münchner, will er sich nicht vor aller Welt lächerlich machen, ein leichtes Leben hätte. Als Weltstädter steht er in direkter Konkurrenz zu den Hipstern in Berlin, London oder Erding, da heißt es wachsam sein und keinen Trend verpassen. Leider gibt es noch immer einige Schnarchnasen, die mit dieser Verantwortung äußerst fahrlässig umgehen. So wurde diese Woche der Praktikant einer Münchner Entrümpelungsfirma dabei beobachtet, wie er sich in einem angesagten Klub einen Aperol-Spritz bestellte. Das muss man sich mal vorstellen!

Vom Genießer zum Kampfradler

Wer kein Pedelec hat, kann auch im Bikini alle Blicke auf sich ziehen.

(Foto: dpa)

Einen Aperol-Spritz! Dabei weiß jeder, dass dieser Drink mega-out ist und selbst in dem für seine Rückständigkeit berüchtigten Glockenbachviertel nur noch von Leuten getrunken wird, denen das unausweichliche Hohngelächter wurscht ist. Selbstverständlich wurde der Spritz-Praktikant von den Türstehern umgehend aus dem Lokal entfernt und der Polizei übergeben, die ihm wegen Missachtung des geltenden Lifestyle-Trends den Führerschein entzog.

Nun also ist der junge Mann aufs Fahrrad angewiesen, und da kann er jetzt einiges gutmachen. Es ist nämlich so: Wer Radl fährt und trotzdem hip sein will, legt sich ein Pedelec zu, also ein Fahrrad, bei dem die Strampelei durch einen Elektromotor unterstützt wird. Überhaupt liegen E-Bikes schwer im Trend, weshalb Besucher der derzeit laufenden Fahrrad-Messe "Ispo-Bike" gut beraten sind, sich nicht als Besitzer eines biederen Hollandrads zu outen. So ein Pedelec ist ja nicht nur ungemein cool, sondern es verschafft auch konditionsschwachen Radlern die Möglichkeit, die Konkurrenz ohne Elektroantrieb locker hinter sich zu lassen.

Im täglichen Überlebenskampf auf Münchens Straßen ist dies ein unschätzbarer Vorteil. Und wer sein Pedelec einigermaßen geschickt zu steuern vermag, wird dann und wann auch einen Fußgänger zur Strecke bringen, der ohne Hilfsmotor unerreichbar geblieben wäre. Selbst steile und für den gewöhnlichen Tretradler unpassierbare Anstiege wie der Nockherberg bewältigt der Pedelec-Fahrer im Stil von Lance Armstrong, nur schneller und lässiger. Auch spontane Doping-Test muss er nicht fürchten. Aber Vorsicht! Oben im Wirtshaus keinen Spritz ordern. Der Nimbus des Trendsetters wäre sofort im Eimer.

Für München steht vor diesem Hintergrund viel auf dem Spiel: Will es weiterhin den miefigen Titel "Radlhauptstadt" führen, oder will es als flotte "Pedelec-Metropole" die Spitze des Fortschritts erstrampeln? Machen wir uns nichts vor: Es war immer etwas peinlich, sich bei Reisen in fremde Länder als Bewohner der Radlhauptstadt vorstellen zu müssen. Oft gab es Gelächter, und manchmal kam der blöde Witz, ob dies eine dezente Umschreibung für Hauptstadt der Bewegung sei. Vor einem Bürger der Pedelec-Metropole aber würden selbst die schnoddrigen Berliner ehrfurchtsvoll verstummen.

Man kann nur hoffen, dass Münchens Spitzenpolitiker wenigstens diesen Trend nicht verschlafen. In Berlin überlegen sie ja bereits, den ohnehin aussichtslosen Bau des Flughafens aufzugeben und das verbliebene Geld in die Anschaffung einer Pedelec-Flotte zu stecken. Gottlob kann man darauf vertrauen, dass dies auch nichts wird.

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