Kolumne: After Eight:Wer ist Lahm? Hauptsache Party!

Eingefleischter Bayern-Fan, Party-Gucker oder gar Anhänger der gegnerischen Mannschaft? Anlässlich des Champions-League-Finales: Eine Typologie der Münchner Fußballfans und ihrer Public-Viewing-Gewohnheiten.

Beate Wild

Die Spannung ist kaum mehr auszuhalten. Je näher der Termin rückt, desto stärker spürt man dieses Flirren in der Münchner Luft. Am Samstagabend um 20.45 Uhr ist es soweit: Anpfiff in Madrid, Champions-League-Finale. Auf dem Rasen im Santiago-Bernabeu-Stadion in Madrid werden stehen: Der FC Bayern München und das Team von Inter Mailand.

After Eight - Kolumne über das Nachtleben in München

Sehen rot: die Fans vom FC Bayern München.

(Foto: Foto: ddp)

Seit der hiesige Fußballclub erst schon Meister wurde und am vergangenen Wochenende auch noch den DFB-Pokal gewonnen hat, halten alle das Triple, also den dritten Titel und den Sieg über die Italiener, für möglich. Es gibt kaum jemanden in dieser Stadt, der sich das Spiel am Samstag nicht ansehen wird. Höchste Zeit sich die Münchner Fußball-Fans und ihre Public-Viewing-Gewohnheiten einmal näher anzusehen.

Typ 1: Der Rudel-Gucker

Der Rudel-Gucker zählt zu den eingefleischten Hard-Core-Fans. Er ist Fan, seit er denken kann. Die Spieler kommen ihm vor wie seine besten Freunde, weil er alles über sie weiß. Je mehr Leute mit ihm das Spiel angucken, desto wohler fühlt er sich. Eigentlich ist er vor lauter Aufregung sowieso schon kurz vor dem Herzinfarkt. Und jetzt auch noch das: Die Allianz Arena überträgt anlässlich des furiosen Champions-League-Finales erstmals ein Spiel über eine Großbildleinwand respektive über Hundert-Quadratmeter-Flatscreens.

Public Viewing mit 70.000 anderen Fans, das ist für den Rudel-Gucker besser als Weihnachten und Wiesn zusammen. Und fast so gut wie das Spiel live im Santiago-Bernabeu-Stadion in Madrid zu sehen. Vor allem ist es günstiger: Der FC Bayern ließ die Karten für das Mega-Public-Viewing gratis verteilen. Ein Ticket für das Finale kostet auf dem Schwarzmarkt derzeit bis zu 8000 Euro.

Einziger Wermutstropfen: Sämtliche Tickets für das Wahnsinns-Viewing waren schon am ersten Tag weg. Wer keine Karte bekommen hat, kann sich das Spiel aber in gefühlten 5000 anderen Lokalen der Stadt ansehen.

Typ 2: Der Erfolgs-Fan

Dieser Typus ist nur mit halbem Herzen bei der Sache. Interessiert er sich sonst nur mäßig für Fußball, wurde er durch den Hype der letzten Wochen von Freunden und Kollegen angesteckt. Eigentlich ist er derzeit nur deshalb Bayern-Fan, weil der Verein so unglaublich erfolgreich ist. Die Spieler der Mannschaft kann er zwar nicht auseinanderhalten - aber das würde er in der Öffentlichkeit niemals zugeben.

Neulich hat er auf dem Speicher extra nach seinem alten FC-Bayern-Schal gesucht, den er nun am Samstag stolz tragen wird. Das Spiel sieht er sich mit Freunden in großen Locations an, beispielsweise im Parkcafé oder in der Schrannenhalle.

Typ 3: Der Best-Friends-Gucker

Dieser Fan-Typ schaut sich das Match am liebsten im kleinen Kreis mit ein paar Freunden an. Er bevorzugt heimelige Fußball-Kneipen wie das Stadion in der Schleißheimer Straße 82, das Sappralott in der Donnersberger Straße 37 oder den Wassermann in der Apianstraße 7.

Er genießt es, bei Currywurst und Bier mit seinen Kumpels Fouls zu diskutieren ("Das war doch schon dunkelrot, du Idiot"), sich über die unglaublich schlechte Leistung eines Spielers zu echauffieren ("Das macht ja meine Oma besser!") und dem Trainer per Fernanalyse Tipps zu geben ("Jetzt nimm endlich den Gomez vom Platz!").

Lesen Sie auf Seite 2, was es mit dem Typus des Party-Guckers auf sich hat und wo die Italiener feiern.

Typ 4: Der Einsiedler

Dieser Fan ist menschenscheu, ergebnisorientiert und kann schon fast als verbissen gelten. Er schaut sich das Spiel zu Hause alleine vor dem Bildschirm an - gerne im Originaltrikot. Bier, Chips und Kippen liegen griffbereit. Das Handy hat er während des gesamten Spiels auf lautlos geschaltet. Manche Einzelgucker drehen sogar den Ton des Fernsehers runter und hören sich die Kommentare lieber vom Radiosender ihres Vertrauens an. Das Einzige, was er sich an Gemeinschaftsgefühl erlaubt, ist lautstarkes Jubeln nach einem Tor auf dem Balkon - gerade in Stadtteilen wie Neuhausen, Gern oder Nymphenburg zu beobachten.

Typ 5: Der Party-Gucker

Von Fußball hat dieser Typ im Grund überhaupt keine Ahnung. Er weiß gerade noch, welche beiden Mannschaften gegeneinander antreten. Der Rest ist ihm egal. Denn diese Fans wollen vor allem eins: Party. Dass ein Fußballspiel Anlass für das Remmi-Demmi ist, ist ihnen egal, stört sie aber auch nicht weiter. Viele Party-Gucker sind weiblichen Geschlechts. Aber auch Männer, die sich sonst eher für schöngeistigere Dinge erwärmen, zählen oft zu dieser Kategorie. Die Party-Fans bevorzugen dementsprechend auch Lokale, wo es feucht-fröhlich und ausgelassen zugeht, wie das Schall & Rauch in der Schellingstraße 22, oder direkt eine der Kneipen auf der Leopoldstraße wie das Roxy oder das Café Munich. Die Wahl dieser Lokale hängt mit der strategischen Nähe zur Feiermeile auf der Leopoldstraße zusammen.

Für die Party-Gucker ist ein Sieg extrem wichtig, weil danach die Party erst richtig losgeht. Gefeiert wird dann zu Songs wie "Hey, das geht ab. Wir feiern die ganze Nacht!" und zu Fußball-Klassikern wie "We are the champions".

Typ 6: Der Verweigerer

Natürlich gibt es auch die Unverbesserlichen: die Fußballhasser. Diese Leute lehnen die Teilnahme an dem gemeinschaftlichen Sporterlebnis renitent, ja fast schon bösartig ab. Während beinahe ganz München vor der Glotze hängt, gehen diese Menschen ins Kino ("Wann bekommt man denn sonst ohne Reservierung so gute Plätze?"), ins Hofbräuhaus ("Hier weiß Gott sei Dank keiner, wer der FC Bayern ist") oder im Olympiabad eine Runde schwimmen ("Das ist wenigstens ein anständiger Sport").

Typ 7: Der Italien-Fan

Doch die problematischste Gruppe unter allen ist Typ sieben: der Italien-Fan. Er lehnt den FC Bayern München aus tiefstem Herzen ab und wünscht ihm nur Schlechtes - sprich: die Niederlage. Ein Großteil der Italien-Fans sind selbst Italiener. Aber auch ein paar abtrünnige Münchner fiebern - die Gründe hierfür sind unterschiedlichster Natur - lieber mit der gegnerischen Mannschaft mit als mit dem FC Bayern. Gelegenheiten hierzu gibt es bei 22.000 italienischen Mitbürgern und Hunderten von italienischen Restaurants in unserer Stadt genug. Leute dieses Typus sind etwa im Lo Studente in der Schellingstraße 30 oder im Raffaele in der Luisenstr. 47 anzutreffen.

Egal, wie das Spiel ausgeht, eines ist klar: Nach dem Abpfiff wird auf der Leopoldstraße in jedem Fall gefeiert. Wenn die Bayern gewinnen, wird es eine exzessive Mega-Party fast auf WM-Niveau. Sollte Inter Mailand gewinnen, feiern in Schwabing einige hundert Italiener. Und die können auch Gas geben - das haben wir noch schmerzlich von der letzten WM in Erinnerung.

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf "München Extra", dem Stadtportal von sueddeutsche.de.

Bookmark: www.sueddeutsche.de/aftereight

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