Kolumne: After Eight:Porno oder Zausel?

Im Münchner Nachtleben erfreuen sich derzeit Schnauzer und Vollbart wieder großer Beliebheit. Dabei fällt auf: Beim Bart-Styling offenbaren die Männer, dass sie auch nur Mädchen sind.

Beate Wild

In den siebziger Jahren gab es in München einen Mann, der sich als genialer Musiker und Komponist hervortat. Er war den anderen immer ein Stück voraus, wenn es um neue Trends ging. So erfand er den so genannten Munich-Disco-Sound und machte eine in München lebende US-Amerikanerin namens Donna Summer zum Star. Die Rede ist von Giorgio Moroder.

Kolumne: After Eight: Früher adretter Johnny-Cash-Style, jetzt Zausel-Look: Schaupsieler Joaquin Phoenix scheint für viele Münchner ein Vorbild in Sachen Bart zu sein.

Früher adretter Johnny-Cash-Style, jetzt Zausel-Look: Schaupsieler Joaquin Phoenix scheint für viele Münchner ein Vorbild in Sachen Bart zu sein.

(Foto: Foto: AP)

Nicht einemal Ralph Siegel schrieb in unserer schönen Stadt so viele Hits wie Moroder. Dieser arbeitete mit Größen wie Freddie Mercury, David Bowie, Barbara Streisand, Cher - um nur einige zu nennen. Auch sein Look hatte es in sich: Minipli-Locken und ein veritabler Schnauzer.

Szenenwechsel: Wir befinden uns in der Gegenwart, in einer angesagten Bar im Glockenbachviertel, genauer gesagt in der "Schnellen Liebe". Das Verblüffende: Der Mann hinter dem Tresen sieht irgendwie aus wie Giorigio Moroder. Doch mit dem Schnauzer ist er lange nicht der einzige in der Stadt. Schaut man sich in Münchens Nachtleben um, ist der Trend nicht mehr zu übersehen. Immer mehr Männer tragen Schnauzer - oder wahlweise Vollbart. Barkeeper, DJs, Türsteher und natürlich auch die Gäste. Vorzugsweise im In-Viertel Glockenbach, wo sonst?

Anfangs war der Freddy-Mercury-Magnum-Rudolph-Moshammer-Schnäuzer nur "irgendwie ironisch" gemeint. Viele nannten ihr Bärtchen süffisant "Porno-Style". Mittlerweile ist es den Trägern bierernst damit. Und selbst der gezwirbelte Kaiser-Wilhelm-Bart hat es nach dem Abgang von TV-Hobby-Onkel Jean Pütz zurückgeschafft. Es ist übrigens auffällig, dass dem Schnurrbart eine leicht kriminelle Aura anhaftet: Erstaunlich oft ist er auf Phantombildern von Bankräubern, Kindesentführern und U-Bahn-Schubsern zu finden. Aber das nur am Rande.

Und weil Gesichtsbehaarung so irre individuell und unheimlich unkonventionell ist, profitieren selbst eher langweilige Jungs davon. Besonders der Vollbart scheint für eine Image-Aufwertung geeignet zu sein. Damit möchte der Träger älter, intellektueller, männlicher und interessanter wirken. Genau das hat zumindest ein junger Mann neulich im Trachtenvogel zugegeben. Das Problem dabei ist nur, dass es nicht jedem steht. Da kann der Versuch, mit dem Gestrüpp im Gesicht eine Frau beeindrucken zu wollen, schnell mal nach hinten losgehen.

Lesen Sie auf Seite 2, welcher Bart-Look bei Frauen gar nicht ankommt und was die dümmste Ausrede ist, sich eine Gesichtsbehaarung stehen zu lassen.

Porno oder Zausel?

Apropos beeindrucken: Liebe Männer, auch wenn der Hollywood-Schauspieler Joaquin Phoenix (bei dem wenigstens die Ausrede gilt, unerkannt bleiben zu wollen) gerade herumläuft wie ein verlotterter Waldschrat, sei euch gesagt: Der Zausel-Look kommt bei Frauen garantiert nicht an. Ungepflegter Wildwuchs geht gar nicht.

Und wenn wir schon dabei sind, wollen wir gleich noch mit einem anderen Vorurteil aufräumen. Den Satz "Ich bin so busy, dass ich gar nicht mehr zum Rasieren komme" glaubt euch kein Mensch. Ein Blick ins Internet fördert unzählige Bartpflege-Tipps zu Tage: stutzen, zwirbeln, färben, Kontur geben et cetera. Da wird schnell klar, dass Mann seine Gesichtsbehaarung genauso pflegen muss wie die Frauen ihre Augenbrauen zupfen müssen.

Ein Bekannter, der auch seit geraumer Zeit Bartträger ist, hat neulich in einer schwachen Stunde sogar zugegeben, seine Gesichtshaare vor dem abendlichen Ausgehen zu Parfümieren. Damit hätte er stets großen Erfolg bei den Münchner Frauen gehabt. Alles klar. Nirgendwo wirken die Münchner Männer so weiblich wie bei ihren Bärten.

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf dem neuen Stadtportal "münchen extra" von sueddeutsche.de.

Bookmark: www.sueddeutsche.de/aftereight

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: