Kolumne: After Eight:Landparty statt Landpartie

Gelangweilt vom Glockenbachviertel? Von den immer gleichen Bars und Clubs? Dann nichts wie ab aufs Land. Dort kann man sich prima amüsieren - auch wenn das den Einheimischen gar nicht gefällt.

Beate Wild

Bei der Landbevölkerung sind die Münchner oft nicht besonders beliebt. Zu arrogant, zu schnöselig, zu schickimicki - um nur einmal die gängigsten Vorurteile zu nennen. Gar nicht mögen sie es, wenn die Münchner nicht in ihrer Stadt bleiben, sondern rauskommen zu ihnen aufs Land, vor allem zu irgendwelchen Festivitäten oder in ihre Stammlokale.

Kolumne: After Eight: Bei den Waldfesten wird lecker gegrillt. Danach geht's in die Dorfdisko.

Bei den Waldfesten wird lecker gegrillt. Danach geht's in die Dorfdisko.

(Foto: Foto: Baumgart)

Sehr beliebt bei den Münchnern sind seit einigen Jahren die Waldfeste am Tegernsee. Noch nie etwas davon gehört? Na, dann haben die Tegernseer, Miesbacher und Rottacher mit denen Sie bisher zu tun hatten, ganze Arbeit geleistet. Oberstes Ziel der Tegernsee-Bewohner scheint nämlich zu sein, "ihre" Waldfeste geheim und damit für sich zu behalten. Doch da haben sie die Rechnung ohne uns Münchner gemacht.

Auch wir Städter haben ein Recht auf Country-Feeling! Deshalb wohnen wir doch auch so gerne in München, weil man von hier aus so schön aufs Land fahren kann. Also, für alle, die noch nicht Bescheid wissen: Die Waldfest-Saison beginnt jedes Jahr meist Mitte Juni und endet Ende August. In den Ortschaften rund um den Tegernsee, in Rottach-Egern, Tegernsee, Bad Wiessee und Kreuth, findet fast jedes Wochenende ein solches Waldfest statt.

Organisiert werden diese Landpartys von ortsansässigen Trachten- und Schützenvereinen. Stark vereinfacht, kann man sagen: Was dem Münchner seine Wiesn ist, ist dem Tegernseer sein Waldfest. Und wenn wir schon diesen Vergleich bemühen, kann man diesen Gedanken gleich auch noch weiterspinnen: So wie dem Münchner die Oktoberfest-Touristen zuwider sind, sind dem Tegernseer die auswärtigen Waldfest-Besucher, sprich Münchner, zuwider.

Mit dem Sammeltaxi in die Dorfdisko

Das empört uns Münchner natürlich extrem, denn wir wollen weder mit besoffenen Italienern noch mit strippenden Australiern verglichen werden. Gut, vielleicht fallen wir etwas auf, wenn wir mit unserem Kaufhaus-Dirndl von der Stange gegen die Landdamen, die maßgeschneiderte Tegernseer Tracht tragen, antreten. Und die meisten Städter sprechen auch keinen so ausgeprägten Dialekt wie die Bewohner des Tegernseer Tals. Aber München ist nicht Sydney und das Waldfest ist nicht die Wiesn.

Dabei geht es immer so zünftig zu auf den Landpartys, jetzt am Wochenende ist übrigens Rottach-Egern an der Reihe. Es gibt köstliches Tegernseer Bier, schmackhafte Grillfleisch-Semmeln, knusprige Hendl und dazu bayerische Blasmusik. Man sitzt auf Bierbänken am See oder mitten im Wald und freut sich seines Lebens. Zu fortgeschrittener Stunde geht es dann weiter an die Schnaps-Bar. Das kann äußerst gefährlich werden, vor allem für die Frauen, denn die Burschen vom Land - hat man sie erst einmal kennengelernt - erweisen sich stets als sehr spendabel.

Wer nach der Schnaps-Bar immer noch nicht genug hat, zieht mit ein paar Leuten, die er gerade erst kennengelernt hat, in einem Sammeltaxi weiter ins Moschner. Eine etwas fragwürdige Dorfdisko, in der es zu Waldfest-Zeiten schon mal recht derb und ausgelassen zugehen kann.

Mit steigendem Alkoholpegel sind die Einheimischen übrigens auch nicht mehr abweisend zu den Zuagroasten. Man kommt schnell ins Gespräch und kann bei einem Getränk die gegenseitigen Vorurteile überwinden. Das geht uns Münchnern auf der Wiesn ja auch nicht anders. Erst nerven uns die grölenden Italiener total, zwei Maß später steht man nebeneinander auf der Bierbank und schmettert zusammen "Sierra Madre".

Lesen Sie auf Seite 2, welche Locations wir am Starnberger und am Ammersee empfehlen und welchen Ratschlag wir für Einheimische haben.

Ureinwohner beim Schenkelklopftanz?

Von den Preißn wollen wir Münchner uns übrigens explizit distanzieren. Dass die ganzen Hamburger, Berliner und Ruhrpottler, die mittlerweile auch schon auf den Waldfesten auftauchen, nerven, da geben wir den Tegernseern ausdrücklich Recht. Hat doch neulich ein Düsseldorfer nicht allen Ernstes gefragt, ob auf diesen Waldfesten die "Ureinwohner" (die Tegernseer, Anm. d. Red.) auch diesen "seltsamen Schenkelklopftanz" aufführen würden. Er meinte einen Schuhplattler. So etwas bringt einen als Einheimischer in Rage, verständlicherweise.

Aber es müssen im Übrigen ja nicht immer die Waldfeste sein, wenn man mal aufs Land will. Ein großartiger Biergarten am Starnberger See ist der Fischmeister am Ostufer in Ambach. Ein herrliches Plätzchen am See, und das Essen erst! Schweinebraten, Renke, Kuchen, eine wahre Freude. Das Anwesen gehört dem preisgekrönten Schauspieler Sepp Bierbichler. Sollte er da sein, gilt: Lieber nicht ansprechen, der Mann kann sehr, sehr grantig werden. Und wenn Sie beim Fischmeister plötzlich Loriot am Nebentisch sitzen sehen, dann haben Sie nicht zu viel Bier getrunken, dann ist er es tatsächlich. Vicco von Bülow kommt auch öfters in diesen Biergarten.

Ibiza-Party am Starnberger See

Genau gegenüber von Ambach liegt Bernried. Wenn Ihnen das P1, das Pacha und das Baby zum Hals raushängen, dann sollten Sie mal den "Saustall" ausprobieren. In dem Club mit dem etwas albernen Namen gibt es tatsächlich jeden Samstagabend Elektro-Sound, das Publikum kommt sowohl aus der Umgebung als auch aus der Stadt. Da gibt es Ibiza-Partys, Sommerfeste und House-Sessions. Oft kennt man die DJs aus Münchner Clubs. Man fühlt sich also sofort heimisch.

Wenn Ihnen der Starnberger See allerdings zu schickimicki ist, dann empfehlen wir den Ammersee mit seinem Retro-Charme. Nach einem Badeausflug kann man in der Strandbar in Herrsching wunderbar einen Sun-Downer zu sich nehmen. Die Bar mit Terrasse hat etwas Karibisches, vielleicht wegen der hölzernen Dachkonstruktion, vielleicht liegt es aber auch am Beachvolleyball-Platz oder an den exotischen Cocktails.

Allen Tegernseern, Starnbergern, Herrschingern und sonstigen Landbewohnern, die diese Zeilen hier lesen und jetzt einen gehörigen Schock beziehungsweise eine mächtige Wut auf uns bekommen, weil sie in Folge unserer Empfehlungen einen Massenansturm auf ihre geliebten Geheimtipps befürchten, sei gesagt: Immer schön locker bleiben. Wir haben ja auch nichts dagegen, wenn ihr im September zu uns auf die Wiesn kommt, oder am Wochenende ins Seehaus oder ins P1. Spätestens an der Schnaps-Bar sind auch wir nicht mehr abweisend.

Die Kolumne "After Eight" erscheint jeden Donnerstag auf "München Extra", dem Stadtportal von sueddeutsche.de.

Bookmark: www.sueddeutsche.de/aftereight

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