"Körperwelten" in München:"Das müsste verboten sein"

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Wenn plastinierte Leichen pokern: Dieses Archivbild zeigt ein Exponat von Gunther von Hagens Schau "Körperwelten" in Bremen. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Elf Jahre nach der ersten Ausstellung kommen die "Körperwelten" zurück nach München. Damals wollte KVR-Chef Blume-Beyerle die Schau plastinierter Leichen von Gunther von Hagens nicht in der Öffentlichkeit sehen - nun hat er dazugelernt.

Von Jan Bielicki

Die Toten sind wieder auf Tournee, sie rennen, sie spielen Basketball, Karten und Schach. 200 nach eigener Methode gruselig spektakulär präparierte Leichen und Leichenteile bringt der umstrittene Anatom Gunther von Hagens von Donnerstag an in die kleine Olympiahalle. Die Ausstellung "Körperwelten - Der Zyklus des Lebens" ist eine Art Wiedergänger jener Schau, mit der Hagens, der sich gerne mit dem Titel "Dr. Tod" schmückt, vor elf Jahren Hunderttausende in den Olympiapark lockte - und mit der er die ganze Stadt, den Stadtrat und die Gerichte beschäftigte.

Dazu soll es diesmal nicht kommen. "Wir haben kein Verbot ausgesprochen", sagt Wilfried Blume-Beyerle. Noch vor elf Jahren hatte der Chef des Münchner Kreisverwaltungsreferats (KVR) mit einem Verbot der Leichenschau bundesweites Aufsehen erregt - "und leider auch für Werbung gesorgt", wie er sich heute erinnert. Mit Verve hatte Blume-Beyerle damals gegen die Zurschaustellung toter Menschen gekämpft. Er sah durch das Spektakel die Würde verletzt, die "ein Mensch ja auch nach seinem Tod noch hat". Im Stadtrat sei es damals "mucksmäuschenstill" gewesen, als der sonst eher mit kühler Zurückhaltung auftretende Jurist gegen die Totenschau wetterte: "Die haben mich wohl noch nie so emotional erlebt". 73 der 80 Stadträte folgten ihm damals und sprachen sich für ein Verbot aus.

Die Richter waren anderer Meinung

Auch heute noch ist der parteilose, als liberal geltende Stadtordnungshüter "absolut unverändert der Auffassung, dass dieser Umgang mit Verstorbenen und deren Würde nicht geduldet werden dürfte und verboten sein müsste". Allein: Die von Hagens angerufenen Richter sahen das anders. Bestätigte die erste Instanz Blume-Beyerles Vorgehen noch, ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Menschenpräparator vorläufig gewähren.

Zwar sei der durch Hagens' Methode der sogenannten Plastination konservierte menschliche Körper tatsächlich kein Ding, sondern eine Leiche, die laut Bayerischem Bestattungsgesetz bestattet werden müsste. Doch "in der Abwägung zwischen Wissenschaftsfreiheit und Menschenwürde" verletze "die didaktisch motivierte, Aufklärungszwecken dienende Ausstellung auch von Ganzkörperplastinaten nicht" die Anforderungen im Umgang mit Leichen. Wissenschaftliche Einrichtungen, und als solche firmiert Hagens' Institut für Plastination in Heidelberg, dürfen anatomische Präparate vorführen. Nur ein besonders auffälliges Exponat - eine auf einem plastinierten Pferd reitende Leiche - ließen die Richter aus der Ausstellung entfernen.

Die Grenzen behördlicher Toleranz

Zwar entschied der Verwaltungsgerichtshof damals in der Hauptsache nicht, weil Hagens' Anwälte ihre Klage nach der Ausstellung für erledigt erklärten. Doch auch andere Gerichtsentscheidungen weisen seither in die gleiche Richtung: Die Schau bleibt erlaubt, besonders reißerische Objekte, mit denen Hagens immer wieder mal die Grenzen behördlicher Toleranz austestet, dürfen nicht gezeigt werden. So verhüllte 2009 Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) höchstselbst ein Plastinat, das zwei Leichen beim Sex zeigte, mit einer Decke. Gerichte in München und Köln bestätigten Verbote dieses Exponats. Blume-Beyerle will in eine solche Debatte über einzelne Stücke und "darüber, was gerade noch erlaubt unerträglich und was ganz und gar unerträglich ist, gar nicht einsteigen", sagt er, "das röche nach Zensur".

Auch ein anderer Streitpunkt scheint seither geklärt zu sein. Lange wurde Hagens vorgeworfen, er stelle auch die Körper von Menschen etwa aus China und Kirgistan aus, die dazu zu Lebzeiten nicht ihr Einverständnis erklärt hätten. Heute liegen alle Einwilligungserklärungen vor, wie Blume-Beyerle bestätigt. Einen "aussichtslosen Rechtsstreit" will er die Stadt diesmal nicht führen lassen. "Und irgendwie", sagt er, "stimmen die Leute auch mit Füßen darüber ab, was sie für ethisch unbedenklich halten." 860 382 Besucher strömten 2003 ins ehemalige Radstadion. Blume-Beyerle war nicht dabei.

© SZ vom 07.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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