Königsplatz:NS-Dokuzentrum legt Sockel von Nazi-Tempel frei

NS-Dokuzentrum Sockel "Ehrentempel"

Von Grünbewuchs befreit ist einer der Ehrentempel-Sockel. Im Hintergrund: das NS-Dokuzentrum.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Es soll ein wortloser Kommentar zum zwiespältigen Umgang mit der NS-Zeit in München sein: Der Sockel eines Nazi-Tempels am Königsplatz ist von seinem Grünbewuchs befreit worden - erstmals seit Jahrzehnten.

Von Martin Bernstein

Gras drüberwachsen lassen oder Licht ins Dunkel bringen: Als wortlosen Kommentar zum zwiespältigen Umgang der Deutschen mit dem NS-Terror können Besucher des Dokumentationszentrums, das am 1. Mai eröffnet werden soll, die beiden Sockel betrachten, die von den einstigen Nazi-Tempeln am Königsplatz übrig geblieben sind. Der nördliche Sockel ist nach Auskunft des NS-Dokumentationszentrums Anfang Dezember von seinem Grünbewuchs befreit worden.

"Durch den Rückschnitt ist die Ruine erstmals seit Jahrzehnten wieder als bauliches Relikt der NS-Zeit wahrnehmbar", so Anke Hoffsten, Pressesprecherin des Dokuzentrums. "Zudem sind nun wichtige Sichtbeziehungen zwischen dem neuen NS-Dokumentationszentrum München und der umgebenden Topografie möglich."

Der von Karl von Fischer und Leo von Klenze um 1820 als klassizistische Huldigung an die antike Ästhetik konzipierte Platz wurde nach 1934 von den Nationalsozialisten als zubetoniertes "Forum der Bewegung" missbraucht. Auf der Ostseite des Platzes entstanden nach Entwürfen des Architekten Paul Ludwig Troost der "Führerbau" (die heutige Hochschule für Musik und Theater), der Verwaltungsbau der NSDAP (jetzt Haus der Kulturinstitute) und die beiden Tempel.

Die Sockel stehen unter Denkmalschutz

Dort wurde der Kult um die 16 toten Putschisten vom 9. November 1923 öffentlich zelebriert. Deren Sarkophage lagen in den offenen Säulenhallen. Die NS-Tempel wurden Anfang 1947 auf Weisung der US-Militärregierung gesprengt. Die Sockel wurden zehn Jahre später begrünt und entwickelten sich zu Biotopen, die unter Naturschutz stehen. Über die Geschichte wuchs buchstäblich Gras - daran wird auch in Zukunft der südliche Sockel erinnern, der in diesem Zustand belassen werden soll.

Nach dem Krieg gab es immer wieder Vorschläge, die Sockel zu nutzen - für den Bau von Kirchen, für Cafés, Ausstellungsräume, sogar für einen Biergarten. Verwirklicht wurden solche Pläne zur Geschichtsentsorgung zum Glück nie. Die Gebäude und Ruinen aus der NS-Zeit am Königsplatz stehen unter Denkmalschutz.

Mit der Freilegung des nördlichen Tempels wird das NS-Dokumentationszentrum den Blick der Ausstellungsbesucher aus dem Innern des Hauses auf die authentische historische Umgebung richten. Anke Hoffsten: "Die Ausstellung verknüpft auf diese Weise die Geschichte des Ortes mit der Gegenwart und regt zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit an."

Das NS-Dokumentationszentrum München steht in der Brienner Straße 34, auf dem Gelände des im Krieg zerstörten "Braunen Hauses", der ehemaligen Parteizentrale der NSDAP von 1931 bis 1937.

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