Kochschulen:Eins, zwei, Wiegeschnitt

In München eröffnet eine Kochschule nach der anderen, am beliebtesten sind Kurse zur vegetarischen und veganen Ernährung. Selbst die Kultur der Junggesellenabschiede hat der Trend inzwischen schon verändert.

Von Franz Kotteder

Wollte man boshaft sein, könnte man sagen: Was früher der Aquarellkurs war, ist heute die Kochschule, und wo sich früher Galerien ausbreiteten, machen jetzt Kochstudios auf. Das ist durchaus logisch, denn Kochen dient längst nicht mehr nur der banalen Nahrungszubereitung, Kochen gilt inzwischen als hochkreative Tätigkeit. Nur logisch, dass es von der Aura des Genietums umweht wird und viele Interessierte ein rechtes Gewese darum machen. Und so ist es nur auf den ersten Blick überraschend, dass gerade jene Einrichtung, die in ganz Deutschland jahrzehntelang für die Kochschule schlechthin stand, in München mittlerweile von der Bildfläche verschwunden ist: Das Maggi-Kochstudio im Tal hat nämlich vor knapp einem Jahr geschlossen. Fertiggerichte und Küchenhelfer aus der Tüte liegen eben eindeutig nicht mehr im Trend.

Stattdessen gilt auch für das gruppenweise Erlernen der Nahrungszubereitung inzwischen die RSRU-Regel: Man koche regional, saisonal, rein und unverfälscht. Wer nach diesen Kriterien seine Adepten am Herd schult, kann eigentlich gar nichts mehr falsch machen. Und deshalb schießen die Kochschulen und -studios derzeit nur so aus dem Boden: Sie heißen "Genusswerkstatt" oder "Kochraum Feinschnabel", "Küchenteufel" oder ganz einfach "Kreativ kochen". Alle bieten sie Kurse an, meist für Gruppen, als Firmenveranstaltung oder einfach nur als Fortbildung für lernwillige Amateure am Herd.

Kochen mit Gefühl, nicht nach strengen Regeln

Die 43-jährige Michaela Baur hatte schon vor acht Jahren den richtigen Riecher, als sie sich nach ihrem Studium der Ökotrophologie in Weihenstephan und mehreren Berufsjahren als Ernährungsberaterin bei Hipp und dem Bio-Feinkosthersteller La Selva mit Koch-Events selbständig machte. In ihrer Showküche veranstaltet sie seither Abende unter dem Motto "Teamkochen": Gruppen zwischen zwölf und 50 Leuten erarbeiten sich dabei gemeinsam ein drei- oder viergängiges Menü. Baur leitet an, verzichtet aber zum Beispiel auf genaue Mengenangaben: "Ich stelle immer den Genuss-Aspekt in den Vordergrund." Kochen muss Spaß machen, findet sie, deshalb solle man mit Gefühl vorgehen, nicht nach strengen Regeln.

Michaela Baur, 2014

Auch Michaela Baur profitiert in ihrer Showküche "Bild und Raum" vom Kochkurs-Boom.

(Foto: Catherina Hess)

Man kann sagen: Der Laden brummt, und weil ihr Konzept so gut ankam, veranstaltet Baur inzwischen auch kulinarische Stadtführungen unter dem Markennamen "Sinneswandel" und hat zum Kochstudio eine eigene Bio-Catering-Firma aufgebaut, mit der sie und ihre Mitarbeiter bis zu hundert Gäste bekochen können.

Noch nicht so lange wie Baur ist Jana Betzold im Geschäft. Sie hat ihr Kochstudio "Bilou" vor einem knappen halben Jahr in der Schrenkstraße 13 aufgemacht, seit Februar läuft der Kursbetrieb so richtig an. Das Kochstudio "Bilou" liegt im Westend, das sich langsam von der Arbeitervorstadt zum Trendviertel mausert. Man merkt es an den hippen Architekturbüros, die jetzt da sind, wo früher Stehkneipen oder Milchläden waren, und zwei Häuser weiter von "Bilou" hat sich eine Agentur für Anlageberatung eingenistet, und zwar nicht für Heizung oder Lüftung, wie es vielleicht eher auf die Schwanthalerhöhe passen würde, sondern für Finanzen.

Single-Kurse laufen gut, aber der Renner sind vegetarische und vegane Kochkurse

Viele Kreative, denen das Glockenbachviertel zu schick und trendy geworden ist, sind hierher gezogen, auch viele junge Familien. Eine Klientel, die Jana Betzold gut kennt. Bevor sie sich selbstständig machte, hat sie in Szene-Lokalen wie der Bar Corso, der Kongressbar und dem Tushita Teehaus gearbeitet. Köchin hat sie im Münchner Ratskeller gelernt, danach in London und Paris und beim Sternekoch Otto Koch gearbeitet; sie hat Events in ganz Europa mit ihm gemacht und in seinem Restaurant in Zürs am Arlberg gearbeitet. Bei Otto Koch hat sie die klassische französische Kochkunst und die Kreativität, die zur gehobenen Küche gehört, erst so richtig kennengelernt, sagt sie.

Kochschulen: Jana Betzold kochte in ganz Europa, jetzt gibt sie in ihrem Studio "Bilou" Kurse im Westend.

Jana Betzold kochte in ganz Europa, jetzt gibt sie in ihrem Studio "Bilou" Kurse im Westend.

(Foto: Stephan Rumpf)

Kochkurse hat sie immer schon gern gegeben, mal hier, mal dort. Irgendwann hatte sie es aber satt, vorher immer alles perfekt durchzuplanen: "Wenn man die kleinste Kleinigkeit vergessen hat, musste man immer noch mal los, um das zu besorgen. Deshalb wollte ich einfach eine feste Location haben." Dann machte die Bäckerei in der Schrenkstraße zu, Betzold mietete den Laden, kaufte über Ebay alte Wirtshausstühle und Tische und nannte ihr Kochstudio "Bilou", nach dem Spitznamen, den ihr Freunde während ihrer Zeit in Paris verpasst hatten.

Seither geht es stetig bergauf, kann sie berichten, das Publikum ist sehr gemischt und "ganz unterschiedlich - von Leuten, die noch nie gekocht haben, bis hin zu solchen, die fast schon alles können". Single-Kurse für Menschen zwischen 28 und 40 laufen gut, aber der absolute Renner sind von Anfang an vegetarische und vegane Kochkurse. Allein vier verschiedene vegane Kurse vom Backen bis zur Gourmetküche hat Betzold momentan im Angebot, alle sind gut gebucht. Und es gibt sogar einen Kurs für "vegetarische bayerische Schmankerl". Zwischen 85 und 138 Euro zahlt man für vier Stunden Einweisung in die Geheimnisse der tierfreien Küche.

Ähnlich gut läuft es bei "Koch dich glücklich". Die Kochschule ist ein Ableger des Frauen-Fitnessstudios My Sportlady, das Jasmin Kirstein 1984 in der Klenzestraße aufmachte und das sich mittlerweile über 2000 Quadratmeter erstreckt und zu den größeren Fitnessclubs der Stadt gehört. Von Anfang an ging's hier nicht nur ums Hantelstemmen und um die Sauna, es gab auch Ernährungs-, Ayurveda- und Yogakurse. Jasmin Kirstein sagt, zwangsläufig sei man darauf gekommen, den Frauen mittags kleine Gerichte anzubieten, weil viele nach zwei, drei Stunden Workout nicht auch noch kochen wollten.

Kochschulen: "Koch dich glücklich" heißt nicht nur die Devise, sondern auch die Kochschule von Jasmin Kirstein.

"Koch dich glücklich" heißt nicht nur die Devise, sondern auch die Kochschule von Jasmin Kirstein.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das wuchs sich aus, und so entstand die Idee zu "Koch dich glücklich", dem Kochstudio zum Fitnessstudio, das jetzt in eigenen Räumen im Innenhof untergebracht ist. Auch dieses Studio will gut betreut sein, erklärt die Chefin. "Einfach nur einen Raum hinstellen, und irgendwer kocht - das geht nicht" sagt Kirstein. Seither gibt es Kurse zur Ayurveda-Küche, zum Thema "Detox your life" und selbstredend zur veganen Küche, es gibt vietnamesische Kochkurse, aber man kann auch lernen, wie man Schnitzel brät oder einen "Vegan Burger" zusammenbaut. Das Studio wird für Kindergeburtstage und Firmenevents vermietet, und von Zeit zu Zeit gibt es auch Männerkochkurse. "Bei uns werden sogar Junggesellenabschiede gefeiert", erzählt Kirstein.

Ein wenig seltsam ist diese Vorstellung schon: Früher bestanden Junggesellenabschiede darin, dass eine Horde junger Männer grölend und saufend durch die Fußgängerzone wankte und sich die T-Shirts von jungen Mädchen mit Edding-Stiften signieren ließ, ähnlich wie beim Abschied von der Bundeswehr. Heute buchen junge Männer einen Kochkurs und lernen ganz gesittet den Wiegeschnitt am Holzbrett, bevor sie sich ein Glas Champagner genehmigen und auf irgendeiner Tanzfläche an der Sonnenstraße vielleicht doch noch zum Wiegeschritt übergehen. Wenn das nicht eine Kulturrevolution darstellt!

100 Kinder

Kinder lernen Woche für Woche in der Münchner "Kinderküche", wie das denn so geht mit dem Backen und dem Kochen. Pfannkuchen, Muffins und andere leichte Gerichte stehen auf dem Lehr- und Speiseplan. Die Kurse kosten 30 Euro, teilnehmen können schon Kleinkinder ab vier Jahre.

Ja, und wenn die Junggesellenzeit dann vorbei und der Nachwuchs da ist, dann ist für Eltern und Kinder auch gesorgt. Denn mit dem Kochenlernen kann man gar nicht früh genug anfangen. Das war der Ernährungsberaterin Susanne Klug immer schon klar. Vor mittlerweile gut zehn Jahren erkannte sie, dass das auch eine gute Geschäftsidee ist, und so gründete sie 2004 die "Kinderküche" in einem ehemaligen Laden in der Haidhauser Sedanstraße. Heute ist die Kinderküche dank des Franchise-Systems auch in Hamburg, Nürnberg, Hannover und Frankfurt vertreten, eine richtige kleine Kette also.

"Wir waren von Anfang an sehr gut gebucht", erzählt Susanne Klug, "aber in den letzten zwei Jahren hat es noch einmal sehr deutlich zugenommen." Pro Woche gibt sie zusammen mit zwei festangestellten Mitarbeiterinnen und vielen Aushilfen bis zu zehn Kurse, an die 100 Kinder lernen so wöchentlich, einfache Gerichte selber zu kochen, backen Pfannkuchen oder Muffins. Drei Stunden dauert so ein Kurs, 30 Euro pro Nase kostet er, und natürlich ist das ein beliebtes Angebot für Kindergeburtstage.

So sehr die Kinderküche auch vom Kochboom profitiert, ein Trend kommt Susanne Klug nicht ins Haus: "Vegan kochen? Das ist für Kinder nichts! Als Ernährungsberaterin weiß ich, dass das in dem Alter sogar gesundheitsgefährdend sein kann."

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