Kochkünstler aus dem "Atelier":Der Kampf mit der Stabmuschel

Angelsteinbutt mit Schwarzwurzel, Wagyu-Rind mit Savora-Senf und Grünkohl: Kochkünstler Steffen Mezger ist im "Atelier" im Bayerischen Hof für die Gourmets zuständig - und erst 33 Jahre alt. Noch jung genug, um zu experimentieren.

Franz Kotteder

Unter 18? Keine Chance! Zwar ging es bei Lothar Eiermann jugendfrei zu, aber Steffen Mezger war ihm dennoch zu jung. Nein, sein neuer Lehrling sollte volljährig sein. Und so ging der 17-jährige Steffen aus Heilbronn, Sohn eines Managers und einer Sportlehrerin, eben erst einmal ins "Panorama-Hotel Waldenburg", um dort seine Kochlehre zu machen. War auch keine schlechte Adresse, denn das Hotel gehörte ebenfalls zur Würth-Gruppe.

Kochkünstler aus dem "Atelier": Sternekoch mit 33 Jahren: Steffen Mezger.

Sternekoch mit 33 Jahren: Steffen Mezger.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der aus einer kleinen Schraubenhandlung in Künzelsau hervorgegangene Weltkonzern mit einem Jahresumsatz von rund neun Milliarden Euro hat auch einen Gastro-Ableger und betreibt eine ganze Reihe von Hotels und Gourmet-Restaurants. Die Perle in der Sammlung ist jedoch das "Wald- & Schlosshotel Friedrichsruhe", in dem bis Ende 2008 der Sternekoch Lothar Eiermann Küchenchef war.

Steffen Mezger lacht, wenn er die Anekdote erzählt. Denn Eiermann ist später sein großer Förderer geworden, wie er sagt. Obwohl es dann beinahe ausgerechnet an Eiermann gescheitert wäre, dass er heute da ist, wo er ist, nämlich im Restaurant "Atelier" im Hotel Bayerischer Hof und ausgezeichnet mit einem Michelin-Stern seit 2010. Denn damals, als der Bayerische Hof einen neuen Küchenchef für sein Restaurant brauchte, hat Hotel-Chefin Innegrit Volkhardt Eiermann gefragt, ob er den damals 24-jährigen Mezger empfehlen könne.

Fachlich traue er ihm das jederzeit zu, habe Eiermann geantwortet, aber ob er in seinem Alter schon eine Küchenbrigade mit 16 Leuten führen könne? Innegrit Volkhardt ging das Risiko trotzdem ein, und Mezger sagt: "Als ich Eiermann neulich bei einer Benefizveranstaltung getroffen habe, meinte er, er sei sehr froh, dass er sich damals getäuscht habe."

Steffen Mezger ist jetzt 33 Jahre alt und seit 2004 Küchenchef im Bayerischen Hof. Er hat den Job also nicht nur bewältigt, sondern bestens ausgefüllt, schließlich bekam er im November 2010 sogar erstmals einen Michelin-Stern. Darauf hatten sie ja auch hingearbeitet, sagt er, als der Bayerische Hof nach einem größeren Umbau im Sommer 2009 sein Gourmet-Restaurant "Atelier" eröffnete, neben dem "Garden", edel und zugleich ein bisschen rustikal ausgestattet, mit Platz für 45 Gäste und nur abends geöffnet.

Hier interpretiert Mezger seine Version der klassischen Küche, die süddeutsche und mediterrane Einflüsse gleichermaßen aufweist. So gibt es schon mal Angelsteinbutt mit Schwarzwurzel und Perigordtrüffel auf der Karte, Lendensteak vom Wagyu-Rind mit Savora-Senf und Grünkohl oder den berühmten spanischen Eichelschinken mit Knollenziest und gestockter Mandelmilch - eine Kombination, auf die man nicht unbedingt gleich kommt.

Aber Steffen Mezger ist eben noch jung genug, um zu experimentieren und dabei immer wieder Neues zu entdecken. Zum Beispiel die verflixten Stabmuscheln. Alles Mögliche hat er mit denen schon versucht, sagt Mezger - roh, gebraten, gekocht: Sie waren nicht weichzukriegen, blieben einfach zäh.

Er wollte den Kampf mit der Stabmuschel schon aufgeben, bis ihm ein Lieferant eines Tages den Trick verriet. Man muss sie in der Schale anstoßen, damit sie sich zurückziehen, dann im Schockfroster anfrieren, anschließend ausbrechen und in Olivenöl langsam garziehen lassen. "Und siehe da: Die Stabmuschel ist butterzart!"

Als aus der Lehre bei Eiermann nichts wurde

Deshalb, sagt Mezger, findet er die Arbeit mit Schalentieren, Krustentieren und Fisch auch am schönsten. Die verlange einem am meisten ab, man brauche Geduld, bis man die richtige Zubereitungsmethode drauf hat. Geduld und Ausdauer, die hat er zweifelsohne. Schon damals, als aus der Lehre bei Eiermann nichts wurde. Über einen Umweg ist er dann doch noch bei ihm gelandet. Zweieinhalb Jahre lang arbeitete er unter ihm, zuletzt als stellvertretender Küchenchef.

"Für mich war er der Wegbereiter", sagt Mezger, "er hat mir einen Spielplatz zur Verfügung gestellt. Das war damals wie Fantasialand für mich als jungen Koch." Lothar Eiermann hat ihm viele Türen geöffnet, so konnte er in Heinz Winklers "Residenz" in Aschau und bei Hans Haas im "Tantris" hospitieren.

Und dann, im Bayerischen Hof, gelang es ihm wiederum mit viel Ausdauer, Innegrit Volkhardt davon zu überzeugen, ein Gourmet-Restaurant einzurichten. Die fand das erst nicht zwingend notwendig, war aber dann doch bereit, das Hotelrestaurant für viel Geld umzubauen und vom belgischen Designer und Antiquitätenhändler Axel Vervoordt ausstatten zu lassen. Heute ist sie natürlich auch stolz auf den ersten Stern in der langen Geschichte des Hotels und auf den Küchenchef, der ihn erkocht hat.

Bleibt die Frage, wie lange er noch bleibt - oder ob er nach sieben Jahren nicht doch noch Lust auf einen Ortswechsel verspürt? "Nein", sagt Steffen Mezger, "München war für mich schon früh die deutsche Großstadt, wo ich hinwollte." Und dann hat er erst vor zwei Jahren geheiratet, sein kleiner Sohn ist fünf Monate alt. Ganz ausschließen möchte er es freilich auch nicht, sein "Atelier" eines Tages wieder zu verlassen: "Aber auf jeden Fall nicht in den nächsten fünf Jahren."

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