Koalitionsverhandlungen:Die SPD legt täglich ein Prozent an Mitgliedern zu

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Stürmische Zeiten sind es derzeit für die SPD. Die Jusos wollen eine erneute große Koalition verhindern. (Foto: dpa)
  • Etwa 50 Mitgliedsanträge gehen derzeit täglich bei der SPD München ein.
  • Wer bis zum 6. Februar, 18 Uhr, in die SPD eintritt, darf mit abstimmen, ob die Sozialdemokraten eine große Koalition mit der Union eingehen.
  • Die Jusos hatten Nicht-Mitglieder dazu aufgerufen, in die Partei einzutreten, um eine erneute Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten zu verhindern.

Von Philipp Crone, München

Viereinhalb Minuten braucht er mittlerweile für ein Exemplar. Der Münchner SPD-Vize Roland Fischer schreibt gerade in seiner Freizeit Bücher. Allerdings keine gut ausgehenden Genossen-Geschichten, sondern Parteibücher. Die werden bei der SPD handschriftlich ausgefüllt, bekommen am Ende drei Stempel und werden dann den neuen Mitgliedern überreicht. Und davon gibt es bei der Münchner SPD derzeit so viele, dass Fischer kaum noch Freizeit hat. Zweimal seien der Geschäftsstelle schon die Parteibücher ausgegangen, sagt er. Die Frage, die man sich nun in der Partei stellt, lautet: Was wollen die ganzen neuen Mitglieder wohl bewirken?

Im ersten Moment könnte man meinen, dass hier ein Begehr der Jusos verfängt. Sie hatten auf dem Sonderparteitag in Bonn am 21. Januar ja dazu aufgerufen, in die SPD einzutreten, um die große Koalition nach dem knappen Ja der Delegierten nun bei der kommenden Basis-Abstimmung doch noch zu verhindern. Seit dem Parteitag gehen in München pro Tag im Schnitt knapp 50 Aufnahmeanträge ein, das ist bei etwas mehr als 5500 Mitglieder in der Stadt ein Zuwachs von täglich etwa einem Prozent. Die Interpretation allerdings, was die Beweggründe für die Eintritte sind, ist nicht ganz so einfach.

Stichtag 6. Februar
:SPD-Neumitglieder dürfen über große Koalition abstimmen

Mehrere tausend Menschen sind kürzlich der SPD beigetreten. Ob sie über eine Regierungsbeteiligung abstimmen dürfen, war bisher aber unklar. Nun hat die Parteispitze einen Stichtag festgelegt.

Normalerweise halten sich die Ein- und Austritte in München die Waage bei der SPD, im Jahr 2016 waren es am Ende 5043 Mitglieder, bei 237 Eintritten und 243 Austritten. Im vergangenen Jahr gab es den von Fischer so bezeichneten Schulz-Hype, was am Ende zu einer Mitgliederzahl von 5512 führte. Seit dem ersten Januar waren bis Freitagnachmittag exakt 595 Anträge eingegangen, sagt SPD-Vize Fischer. Die Geschäftsstelle mit den zwei hauptamtlichen Mitarbeitern arbeite rund um die Uhr. Denn nur die Antragsteller dürfen mit abstimmen, die bis zum 6. Februar eingetreten sind. Und vorher müssen die Anträge geprüft, bearbeitet und genehmigt werden.

Fischer wirkt allerdings ziemlich gelassen. Dass nun reihenweise Neumitglieder gegen die große Koalition abstimmen wollen und deshalb eintreten, sei Kaffeesatz-Leserei. Genauso könne ja der gegenteilige Effekt wirken: dass Münchner eintreten, um dem Juso-Aufruf entgegenzuwirken und für die Koalition zu stimmen.

"Das Alter der Neumitglieder liegt zwischen 16 und 80 Jahren", sagt Fischer. Die Zahl der Menschen im Juso-Alter, bis 35, mache deutlich weniger als die Hälfte aus. Der Münchner Juso-Chef Christian Köning hat die Zahlen ebenfalls im Blick. Er würde sich zwar "wünschen, dass viele Mitglieder mit Nein stimmen", wenn es um die große Koalition geht, aber in erster Linie sei es schön, dass die Partei Zulauf habe.

Der massive Zulauf unterscheidet die SPD derzeit von anderen Parteien. So gab es beim Koalitionspartner CSU im vergangenen Jahr 420 Eintritte und 251 Austritte, seit dem 1. Januar sind 31 Münchner eingetreten und 36 ausgetreten. Die Grünen haben derzeit 1558 Mitglieder in München, etwa zehn Prozent davon kamen nach der Bundestagswahl dazu. Seit dem 1. Januar gab es 29 Eintritte und neun Austritte.

Die CSU hat in München aktuell 6319 Mitglieder. Sie kann also von der SPD vielleicht in den nächsten Tagen sogar noch überholt werden, der Stand der SPD-Parteimitglieder am Freitagnachmittag lag bei 6073.

"Viele junge SPD-Mitglieder sind gegen die große Koalition, viele ältere dafür, aber vor allem geht es doch um lebhafte Diskussionen", sagt Juso-Chef Köning. Und zunächst einmal auch darum, die neuen Mitglieder willkommen zu heißen.

2013, als es bei einer Abstimmung in der SPD ebenfalls um die Frage ging, ob man die große Koalition befürworte oder nicht, "gab es auch sehr viele Eintritte bei uns in München", sagt Fischer. Er fürchtet auch keine große Austrittswelle nach der Basis-Abstimmung. Es habe in den vergangenen Tagen genau einmal den Fall gegeben, dass ein Neumitglied kurz darauf schon wieder seine Kündigung geschickt habe. "Den Antrag hatten wir noch nicht bearbeitet - und haben das dann auch nicht mehr gemacht", sagt Fischer. Im Jahr 2013 seien 90 Prozent der kurz vor der Abstimmung eingetretenen Neumitglieder der Partei erhalten geblieben.

© SZ vom 05.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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