Klinikum Schwabing:Experiment geglückt - Schwein mumifiziert

Schweinemumie, mumifiziertes Schwein wird im Klinikum Schwabing in die in die Kernspin-Röhre geschoben.

Die Schweinemumie lag bereits fünf Jahre im Holzsarg. Nach der Untersuchung wandert sie nun dahin zurück.

(Foto: Florian Peljak)
  • Am Klinikum Schwabing haben Forscher vor fünf Jahren ein Schwein einbalsamiert.
  • Die Pathologen hielten sich dabei streng an altägyptische Vorgaben.
  • So wollten sie herausfinden: Ist die Anleitung praktikabel? Wie groß war der Aufwand? Und wie lange dauerte es, bis eine Mumie fertig war?

Von Jakob Wetzel

Es herrscht Hochstimmung in der Pathologie im Schwabinger Krankenhaus. Er sei selbst "ein bisschen überrascht, fast euphorisiert", sagt Chefarzt Andreas Nerlich beim Blick auf die Befunde. Und gäbe es irgendwo auf der Welt noch einen altägyptischen Einbalsamierer, dann würde der wohl anerkennend nicken. Denn das Experiment ist offenbar geglückt - und das Warten hat sich gelohnt.

Seit Jahren lagert in der Pathologie des städtischen Klinikums ein mumifiziertes Schwein. Das Tier stammt nicht aus einer Pyramide, vielmehr haben es der Pathologe und Mumienforscher Nerlich und die beiden Präparatoren Ralph Gillich und Alfred Riepertinger eigenhändig einbalsamiert. Sie haben ein Versuchstier, das ohnehin eingeschläfert werden musste, in eine Mumie verwandelt, und dabei hielten sie sich streng an Vorgaben, wie sie der Geschichtsschreiber Herodot im fünften Jahrhundert vor Christus dokumentiert hat.

Damit wollten sie nicht nur ausprobieren, ob die alte Anleitung wirklich praktikabel ist. Sie wollten auch herausfinden, welche Prozesse in einem einbalsamierten Leichnam ablaufen, und auch, wie lange es dauert, bis aus einem Körper voller Flüssigkeit eine ausgetrocknete, haltbare Mumie wird. Doch nachdem das Schwein ausgenommen und getrocknet, mit Bitumen bestrichen und in Leinen gewickelt war, hieß es zunächst: warten - und bangen. Denn ob das Experiment gelungen war oder nicht, ob das Schwein tatsächlich haltbar war oder innerlich verweste, war von außen nicht zu beurteilen.

Mehr als fünf Jahre lang lag das Tier seitdem in einem Holzsarg in einem Nebenraum des Sektionssaals der Pathologie. Erst im Januar dieses Jahres wagte Nerlich einen ersten, vorsichtigen Blick hinter die Binden: Das Schwein wurde durch ein Kernspin-Gerät geschoben und im Computer-Tomografen durchleuchtet. Im März rückten Nerlich und die Präparatoren dem Tier mit einer Bohrmaschine zu Leibe und entnahmen Proben; danach wurde die Mumie mit Honig und einem Pflaster versiegelt.

Schließlich packte Nerlich das Schwein in einen Leichensack und fuhr es im Kofferraum seines Autos zur Uni Freiburg. Forscher haben dort einen Kernspin-Apparat entwickelt, der anders als herkömmliche Geräte auch bei trockenen Untersuchungsgegenständen gute Bilder liefern soll, zum Beispiel bei einer Mumie.

Jetzt liegen fast alle Ergebnisse vor. Die Schwabinger Schweinemumie ist demnach gut gelungen: Sie fault nicht, sie ist nicht von Pilzen befallen, sie beherbergt keine aktiven Bakterien. In ihren Petrischalen fanden die Mikrobiologen nur Sporen bildende Bakterien, echte Überlebenskünstler: Sie bilden resistente Sporen, um in feindlicher Umgebung zu überleben, und verharren dann im Ruhezustand. Aktiv zersetzt habe die Mumie nichts, sagt Nerlich. Das Schwein sei stabil.

Die Untersuchungen sind nun abgeschlossen, das Tier liegt wieder in seinem Sarg im Keller der Pathologie. Wie lange noch, das sei schwer zu sagen, sagt Nerlich. Das Schwabinger Krankenhaus wird in den kommenden Jahren umgebaut. Er hoffe, dass er einen Platz finde. Er würde das Tier gerne weiterhin beobachten: Bis jetzt habe er vieles gelernt, nicht zuletzt in Freiburg, sagt er: Auf den Bildern habe er Zwischenstadien der Mumifizierung sehen können. Für ihn, den Mumienexperten, der die Leichname sonst erst nach vielen Jahrhunderten zu Gesicht bekommt, sei das geradezu eine Entdeckung gewesen. In fünf Jahren will Nerlich dann noch einmal einen Blick in das Tier werfen. Bis dahin lagert die Mumie wieder in ihrem Holzsarg.

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