Klinikum rechts der Isar:Gericht wirft Klinikleitung massive Versäumnisse vor

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Im Zusammenhang mit dem Transplantationsskandal am Rechts der Isar wurde er fristlos gekündigt. Doch der Chefarzt erstritt sich das Recht, wieder im Klinikum operieren zu dürfen. Vor dem Arbeitsgericht München wird nun klar, warum.

Von Christina Berndt und Sebastian Krass

Verloren ging der spektakuläre Rechtsstreit für das Klinikum rechts der Isar schon im Mai. Nun ist auch klar, warum es den geschassten Chefarzt der Chirurgie wieder einstellen musste: Das Arbeitsgericht München sieht massive Versäumnisse bei der Klinikleitung, namentlich dem Ärztlichen Direktor Reiner Gradinger.

Dies geht aus der jetzt vorliegenden Begründung des Urteils hervor, mit dem der Klage des Chirurgen Professor F. gegen seine fristlose Kündigung stattgegeben wurde. Nicht F. sei für die mangelhafte Aufklärung der Manipulationen an der Warteliste für eine Lebertransplantation im Jahr 2010 verantwortlich, sondern in der Hauptsache Gradinger, urteilten die Richter. Zudem äußern sie Verständnis für F.s Auffassung, man habe ihn mit seiner Kündigung zum "Bauernopfer" machen wollen.

Das Rechts der Isar hatte F. im Februar 2013 fristlos gekündigt, weil er die Aufklärung der Manipulationen nicht entschlossen verfolgt habe. Eine direkte Beteiligung an den Manipulationen, durch die Patienten auf der Warteliste nach oben rückten, war F. nicht vorgeworfen worden.

F. stellt sich als Bauernopfer dar

F. erklärte stets, er habe den Ärztlichen Direktor über die Vorgänge informiert. Dieser hatte die Untersuchungen letztlich mit dem Fazit eingestellt, es liege kein Fehlverhalten vor. Als die Manipulationen im Jahr 2012 öffentlich bekannt und erneut untersucht wurden, musste F. schließlich gehen.

F. hatte schon 2013 im Eilverfahren erstritten, am Rechts der Isar wieder operieren zu dürfen - um in Übung zu bleiben. Nachdem auch das Hauptsacheverfahren zu seinen Gunsten ausging, kehrte F. am 1. Juli als Chefarzt und Professor der Technischen Universität (TU) zurück.

Es habe am Rechts der Isar "keine Regularien" gegeben, wer für die Aufklärung der Manipulationen zuständig gewesen wäre, heißt es im Urteil. Der Chirurgie-Chef F. sei dafür jedenfalls nicht die erste Adresse gewesen. "Es liegt nahe, dass auch hier zunächst" der Ärztlicher Direktor "zuständig" sei "oder aber" der Leiter der Klinik für Innere Medizin, wo die Patienten lagen, deren Werte manipuliert wurden.

F. hatte im Verfahren die Auffassung vertreten, er sei zum Bauernopfer gemacht worden. Weil er nicht verbeamtet ist, sei seine Kündigung für das Klinikum der vermeintlich leichtere Weg gewesen. Dieser Eindruck, schreiben die Richter, sei "nachvollziehbar". Das Gericht wies auch die Forderung des Klinikums nach Schadenersatz zurück. Das Rechts der Isar wollte F. für die infolge des Skandals gesunkene Zahl an Transplantationen in Regress nehmen. "Mangels schuldhaften Verhaltens" gebe es diesen Anspruch aber nicht.

Betriebsklima war schon vor dem Skandal eisig

Allerdings wäscht das Urteil F. nicht rein. Es handelt sich um eine arbeitsrechtliche Bewertung. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt noch wegen der Manipulationen. Einziger Beschuldigter ist derzeit ein ehemaliger Mitarbeiter F.s. Die fristlose Kündigung F.s erklärt das Arbeitsgericht vor allem deshalb für nichtig, weil die strengen Maßstäbe dafür nicht erfüllt seien. Das Rechts der Isar hatte F. unter anderem vorgeworfen, gegenüber dem Aufsichtsrat falsche Angaben gemacht zu haben.

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Das Gericht beschäftigte sich auch mit der Frage, ob das Rechts der Isar wegen des nunmehr womöglich zerrütteten Verhältnisses F.s Arbeitsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung auflösen könne. Doch die Richter befanden, dass es für das Klinikum möglich sein müsse, "das Vertrauensverhältnis wiederaufzubauen".

Wie das funktionieren soll, ist unklar. In der Chirurgie war das Betriebsklima schon vor dem Manipulationsskandal eisig - auch weil es F., der 2007 nach München gekommen war, nicht gelang, die Abteilung zu einen. Das Klinikum führte dies vor Gericht als weiteres Argument dafür an, dass F. als Chefarzt nicht geeignet sei. Auch dem schlossen die Richter sich nicht an.

Noch offen ist, ob das Klinikum in Berufung geht. Dies ist bis zum 22. August möglich. In dieser Woche hat der Aufsichtsrat getagt, dem Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU) vorsitzt. Eine Entscheidung über Rechtsmittel sei aber "noch nicht getroffen" worden, erklärt eine Ministeriumssprecherin. "Der Aufsichtsrat beobachtet zunächst die weiteren Entwicklungen." Welche Entwicklungen das sein sollen, sagt sie nicht.

© SZ vom 09.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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