Klinik muss Schmerzensgeld zahlen:Tuch im Bauch vergessen

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Nach einer Krebsoperation haben Ärzte bei einer Patientin ein Tuch im Bauch vergessen. Die Münchnerin klagte. Nun ist das Krankenhaus Großhadern vor dem Oberlandesgericht München vergleichsweise glimpflich davon gekommen.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Es gibt Fehler, die einem Operationsteam einfach nicht unterlaufen dürfen - aber trotzdem passieren. So wie im Fall einer damals 52-jährigen Münchnerin, bei der Ärzte im Krankenhaus Großhadern nach einer extrem schweren Krebsoperation ein Tuch im Bauch vergessen hatten. Trotzdem ist das Uni-Klinikum bei einem Schmerzensgeldprozess vor dem Oberlandesgericht München vergleichsweise glimpflich davon gekommen.

Das Gericht hat dem OP-Team und der Krankenhausorganisation in seinem Urteil am Freitag sozusagen mildernde Umstände zuerkannt. Die Klinik habe alle gebotenen Kontroll- und Vorsorgemaßnahmen getroffen - deshalb könne nicht von einem groben Fehler gesprochen werden: "Es handelt sich um einen Fehler, der selbstverständlich nicht vorkommen soll, der aber auch nicht gänzlich unverständlich ist", sagt der 1. Senat.

Für die Panne, die der schwer kranken und vielfach mit schwierige Operationen und Behandlungen geplagten Münchnerin eine überflüssige weitere Operation eingebracht hat, muss die Klinik insgesamt nur 8500 Euro bezahlen. 70.000 Euro Schmerzensgeld hatte die Frau gefordert.

Das immerhin 45 mal 45 Zentimeter große Bauchtuch musste angesichts des Umfangs des Eingriffs, des sehr großen Wundgebietes und den erheblichen Verwachsungen dem sorgfältigen Operateur vor Schließen der Wunde nicht auffallen, hatte in der Verhandlung ein Gutachter dem Gericht erklärt. Zumal sich der mit Blut getränkte Stoff zusammenziehe. Vielmehr entspreche es dem Facharztstandard, dass sich der Chirurg auf das geschulte Pflegepersonal verlässt, dessen Aufgabe es sei, das benutzte und verbrauchte Material im Vier-Augen-Prinzip zu zählen und damit sicherzustellen, dass sämtliche eingebrachten Tücher und Kompressen vor dem Wundverschluss entfernt wurden.

Das Gericht sah keinen Anlass, dem von der Klinik vorgelegten Zählprotokoll zu misstrauen. Und auch nicht dem Operationsbericht, der einen ausdrücklichen Vermerk enthält, wonach sämtliches verbrauchtes Material zum Schluss vollzählig vorhanden war. "Die Vornahme der gebotenen Kontrollen ist damit hinreichend dokumentiert worden", stellte der Senat fest.

Immerhin erhöhte er das in erster Instanz zuerkannte Schmerzensgeld um 2500 Euro. Ein sehr eindringlicher Appell der Vorsitzenden an das Klinikum, freiwillig insgesamt 10 000 Euro an die Patientin zu bezahlen, war schon in der Verhandlung auf Ablehnung gestoßen: Die Anwälte der Klinik, die nicht versichert ist, hielten die von Landgericht festgesetzte Summe für "fair". Einer von ihnen meinte gar: "Es passieren noch viel schlimmere Dinge."

In dem Verfahren hatten die gerichtlich bestellten Gutachter, ein Chirurg und ein Internist, erklärt, dass dieses vergessene Tuch sich tatsächlich nicht auf die weitere Therapie und den Zustand der Patientin - von der Nachoperation abgesehen - ausgewirkt habe: Die von der Patientin beklagten Beschwerden seien vielmehr die Folgen der umfangreichen Operation, bei der unter anderem Teile des Magens, der Bauchspeicheldrüse und des Darms entfernt werden mussten. Revision gegen das Urteil (Az.: 1 U 3971/12) wurde nicht zugelassen.

© SZ vom 24.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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