Klinglwirt:Dorfwirtschaft in der Großstadt

Klinglwirt: Beim Klinglwirt in Haidhausen geht's zu wie in Uropas Zeiten.

Beim Klinglwirt in Haidhausen geht's zu wie in Uropas Zeiten.

Schafkopfspieler, Eckbänke, Schnaps: Sonja Obermeier hat in Haidhausen das bayerische Restaurant Klinglwirt eröffnet, in dem es zugeht wie in dem Lokal ihres Urgroßvaters. Das Konzept überzeugt, das Essen allerdings weniger.

Lisa Sonnabend

Die Mittdreißigerin Sonja Obermeier hat Ende August in Haidhausen den Klinglwirt eröffnet - und ihr Uropa ist darin allgegenwärtig. Denn sie hat für das bayerische Restaurant bis ins Detail das Konzept des Lokals kopiert, das ihr Urgroßvater vor über 100 Jahren im Landkreis Ebersberg eröffnete. Obermaiers Idee: eine Dorfwirtschaft mitten in der Großstadt zu etablieren.

Dort, wo früher das bulgarische Restaurant Rila war, spielen nun die Gäste Schafkopfen, trinken Bier, essen Schweinsbraten und tauschen sich aus, was es Neues gibt. Genau, wie in dem Lokal ihres Urgroßvaters, das auch schon den Namen Klinglwirt trug.

An der Wand hängen noch einige Schwarz-Weiß-Fotos, die Szenen aus dem alten Gasthaus zeigen sowie ein Porträt von König Ludwig II. Bemalte Bierkrüge und kunstvoll verzierte Teller stehen auf der Holzvertäfelung. Die rustikalen Tische sind aus hellbraunem Holz. Die Wände sind in knalligen roten Farben gestrichen. Eine gelungene Verbindung aus Tradition und modernen Einflüssen.

Die Speisekarte ist kurz, weniger als zehn Gerichte stehen darauf, gekocht wird frisch, mit regionalen Zutaten - auch das gab es anno 1905 schon und ist gerade wieder sehr im Kommen. Das Bio-Fleisch stammt von den Hermannsdorfer Landwerkstätten, der Fisch von der Seebald-Fischzucht aus dem Ammerland. Und das scheint anzukommen. An manchen Tagen ist es im Klinglwirt so voll, dass die Bedienungen die Gäste wieder heimschicken müssen. An diesem Samstagabend haben wir Glück und es sind noch ein paar wenige Tische frei.

Wir bestellen erst einmal ein Bier. Das 0,5 Helles von Löwenbräu kostet angemessene 3,30 Euro und ist frisch gezapft. Wir fühlen uns wohl. Tatsächlich hat man den Eindruck, als säße man nicht an der lebhaften Balanstraße, sondern in der Wirtschaft eines kleinen Dorfes.

Das einzige Negative: Die Musik ist so leise, dass man die Gespräche der Nachbarn nicht überhören kann. In einer Dorfwirtschaft wäre dies nicht weiter schlimm, da dort sowieso jeder alles über die anderen weiß. Aber im anonymen München? Wir fühlen uns beobachtet.

Nachsalzen hilft wenig

Zum Essen wählen wir Schweinsbraten (13,90 Euro), Saibling (15,90 Euro) sowie einen Beilagensalat (3,50 Euro). Die Preise sind überraschend hoch. Schweinsbraten bekommt man schließlich in anderen Münchner Gaststätten meist für unter zehn Euro - allerdings ist zugegebenermaßen die Herkunft des Fleisches dann oft zweifelhaft. Unsere Erwartungen an die Qualität des Essens sind dementsprechend hoch.

Doch wir werden enttäuscht. Schon der Anblick des Schweinsbraten ist keine Freude. Gegen die Größe der Portion ist nichts einzuwenden: drei ordentliche Scheiben Fleisch und zwei Knödel türmen sich auf dem Teller.

Doch die Soße verheißt nichts Gutes: Sie ist nicht dunkelbraun, sondern wässrig. Und so schmeckt sie leider auch. Die Semmelknödel halten zwar ihr Versprechen, selbst gemacht zu sein, sind jedoch äußerst fad im Geschmack. Auch mehrmaliges Nachsalzen hilft wenig. Der Braten dagegen schmeckt zart und saftig. Wir glauben sofort, dass das Schwein glücklich gewesen sein muss. Das Allerbeste an dem Gericht ist die knackige Kruste - fast sind wir wieder versöhnt. Fast.

Der Saibling schmeckt ordentlich. Er ist frisch, nicht trocken, aber kein Geschmackserlebnis, das einen bis zum Lebensende im Gedächtnis bleiben wird. Zu dem Fisch wird schön festes Püree gereicht - dem man vor allem eines deutlich anmerkt: Es ist selbstgemacht, denn das ein oder andere unzerteilte Kartoffelstückchen befindet sich noch darin.

Der Höhepunkt des Fischgerichtes ist die Maronen-Soße. Esskastanien zu Püree - eine interessante Kombination. Und die Soße? Diesmal dunkel und dickflüssig. Ob dieses Rezept auch Obermeiers Ur-Großvater schon kannte? Seine Gäste hätten es sicherlich geliebt.

Zum Abschluss genehmigen wir uns noch einen Schnaps, den es vor 100 Jahren allerdings bestimmt noch nicht gegeben hat - zumindest unter diesem Namen nicht: Denn die Kräuterlikör-Marke Hirschkuss (2,80 Euro) wurde erst vor wenigen Jahren beim Patentamt als Name eingetragen. Kräuterlikör dagegen hat Obermeiers Urgroßvater bestimmt auch schon ausgeschenkt.

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